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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Ein Blitz sei vom Himmel gefahren und habe den Stein zerschmettert, der Kains Feld im Norden begrenzte, und es habe zu regnen begonnen, so stark habe es geregnet, wie sich selbst Adam und Eva nicht erinnern konnten, daß es je auf der Erde geregnet hatte. Und als sich Kain umdrehte, um nach seinen Eltern Ausschau zu halten, stand er bereits bis zu den Knöcheln im Wasser.
    Eva war auf dem Feld, und sie lief schreiend in die Hütte, Adam folgte ihr, und sie riefen Kain, er solle zu ihnen kommen. Denn sie fürchteten, ein Blitz könnte ihn erschlagen.
    Aber Kain blieb auf dem Feld stehen, lange, den Kopf zum Himmel erhoben. Das Wasser rann über sein Gesicht, seinen Bart, seine Brust. Was habe ich getan, dachte er. Warum schleudert Gott seinen Blitz zur Erde, wenn ich mich niederknie und zu ihm bete?
    Schließlich schlich er sich in die Hütte und kroch unter seine Felle, um zu schlafen. Und Kain schlief ein, in einen dumpfen Schlaf fiel er.
    Er wachte auf, weil es still war. Der Regen hatte aufgehört. Eine angenehm frische Luft erfüllte die Hütte. Kain hörte Geflüster. Es kam vom Bett seiner Eltern. Der Span, der in der Schale Öl brannte, gab wenig Licht, aber genug, so daß Kain seinen Vater Adam und seine Mutter Eva sehen konnte. Die beiden saßen einander im Bett gegenüber und umarmten sich. Eva strich ihrem Mann über das Haar. Adam berührte Evas Augen mit seinen Fingern.
    Es war nicht das erste Mal, daß Kain seine Eltern bei der Liebe beobachtete. Diesmal aber war er noch erfüllt von der Erinnerung an die Frau, die weit weg von ihm an der Mauer saß, und er wußte, daß seine Eltern im Augenblick das gleiche empfanden, was er, Kain, empfunden hatte, als er seinen Kopf in den Schoß der Frau gelegt und sie ihre Hand über seine Augen getan hatte.
    Kain sah, daß Adam Eva die Kleidung abstreifte, und er dachte, wenn der Tag beginnt, werde ich hinausgehen zu der Mauer und die Frau suchen, und ich werde ihr die Kleider abstreifen, wie es mein Vater bei meiner Mutter macht, und ich werde die Haut dieser Frau küssen, wie der Vater die Haut der Mutter küßt.
    Am nächsten Tag ließ Kain die Feldarbeit sein und machte sich wieder auf den Weg. Er fand die Frau. Sie saß, wo sie gesessen hatte. Er setzte sich neben sie. Aber er legte seinen Kopf nicht in ihren Schoß, und er bat sie nicht, ihre Hand über seine Augen zu tun. Er streifte ihr die Kleidung ab.
    Ach, hätte er es nicht getan!
    Die Frau hatte keine Haut. Ihr Körper war offen. Kain schrie auf und lief davon. Er lief, bis er vor Erschöpfung niederfiel, und er schrie, bis er keine Stimme mehr hatte. Da lag er und rang nach Luft.
    Was war geschehen? Wer war diese Frau? Und was war das für eine Mauer, vor der die Frau saß?
    Es war die Mauer zum Paradies. Und die Frau war die erste Eva. Erinnern wir uns: Gott hatte vor den Augen Adams aus Lehm eine Frau geformt, zuerst ihr Gesicht. Es sollte ein freundliches Gesicht werden. Er formte ein Lächeln, und in die Wangen drückte er Grübchen, die entzücken sollten. Dann machte er die Hände. Zarte, feingliedrige Hände machte Gott seinem neuen Geschöpf. Zuletzt baute er den Körper. Da hatte sich Adam mit Ekel abgewandt, und Gott hatte seine Arbeit unverrichtet liegengelassen.
    Was aber war mit diesem unfertigen Wesen geschehen, das am Körper noch keine Haut hatte? Als Gott den Menschen aus dem Paradies entließ, mußte auch die erste Eva gehen. Sie setzte sich draußen an die Mauer. Und wartete? Vielleicht wartete sie. Worauf? Daß Gott noch einmal kommt und sie dann vollendet?
    Das alles wußte Kain nicht. Niemand hatte es ihm erzählt. Er dachte sich: Abel, mein Bruder, war vor mir bei der Frau gewesen. Abel, mein Bruder, will nicht, daß ich die Haut dieser Frau streichle. Deshalb hat er ihr die Haut abgezogen und sie mitgenommen.
    »Ich hasse Abel!« rief Kain. »Ich hasse ihn!« rief er in den Himmel hinauf. »Ich hasse ihn!« fluchte er auf die Erde hinunter.
    Als Abel nach Wochen mit seinem Vieh zu den Hütten zurückkehrt, wird er von seinem Bruder Kain nicht begrüßt. Kain ist auf dem Feld, mit den Händen gräbt er im Boden, wie er es gemacht hat, bevor ihm Abel den Pflug geschenkt hatte.
    »Was ist mit dir?« fragt Abel. »Warum blickst du mir nicht einmal in die Augen, wenn ich dich begrüße?«
    »Ich habe zu tun«, sagt Kain.
    »Mit den bloßen Händen wieder? Was ist mit dem Pflug? Ist er zerbrochen? Zeig ihn mir, ich will ihn reparieren!«
    »Ich arbeite nicht mehr mit deinem Pflug«,

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