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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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nichts!«
    Enos wußte, es ist nicht das, was er wollte, natürlich nicht, in seiner Jugend war er beseelt von dem Gedanken, ein großer Naturwissenschaftler zu werden. Er hatte sein Ziel nicht erreicht. Aber, sagte er sich, ich habe es halb erreicht, immerhin halb. Wer kann das schon von sich behaupten.
    Enos war der erste Mensch, der Götzenbilder aufgestellt hat. Und die Menschen fielen vor seinen Götzen auf die Knie und hörten sich an, was Samael, der Teufel, aus den Lehmmäulern auf sie herunterredete.

HENOCH
    Von seiner ersten und zweiten Devise – Von der Erfindung des Handels – Vom Streitschlichten – Von seiner Berufung zum Propheten – Von der Schrift – Von Esoterikern und Science-fiction-Fans – Von der Himmelfahrt des Propheten
     
    Einer, der sich nicht vor den Götzen des Enos auf den Boden geworfen hat, war der Bruder des Enos: Henoch.
    Henoch hatte für diese Götzen gar nichts übrig. Er war ein nüchterner Mensch. Er wußte, daß diese Götzenbilder im besten Fall ein Ersatz für das verlorene Bild Gottes waren. Ebenso wie sein Vater Seth ein Ersatz für den Vorfahr Abel war.
    »Ich weiß nicht mit Sicherheit, ob es einen Gott gibt«, pflegte Henoch zu sagen. »Wenn sich nach dem Tod herausstellt, daß es keinen gibt, war es kein Schaden, an ihn geglaubt zu haben. Wenn es aber einen gibt, wird es von Nutzen sein. Also ist es besser, an Gott zu glauben, als nicht an ihn zu glauben.«
    So lautete seine erste Devise.
    Den Tag über hat sich Henoch allerdings mit ganz anderen Dinge beschäftigt. Er leitete ein Büro. War Besitzer eines Lagerhauses. Des größten weit und breit. Er war verheiratet, hatte Familie, lachte selten. War keine Stimmungskanone, ging früh zu Bett, stand früh auf. Liebte seine Tätigkeit. Import, Export hauptsächlich. Wobei das Wort Liebe sicher übertrieben ist.
    Er hat Gottes Gebote geachtet, heißt es, er hat gebetet, nicht besonders leidenschaftlich, das wurde auch nirgends verlangt. Er war ein pflichtbewußter, nüchterner, kühl kalkulierender Mann. Wie gesagt: Er war nicht so begabt wie sein Bruder Enos, lange nicht. Er war zufrieden, und anstrengende Begeisterungsanfälle wie bei seinem Bruder waren bei ihm bis dato nicht beobachtet worden.
    »Ein Ziel vor Augen macht, daß wir stolpern.«
    Das war seine zweite Devise.
    Henoch sah, wie die Menschen auf den Feldern schufteten, er sah, wie die einen mehr Getreide ernteten, als sie verbrauchen konnten, er sah, wie die Fischer mehr Fische aus dem Meer zogen, als sie essen konnten, und wie die Hirten mehr Fleisch erzeugten, als sie nötig hatten. Er wußte, derjenige, der Fleisch hat, der hat keinen Fisch, würde aber gern welchen haben, und derjenige, der Fisch hat, hat kein Getreide, würde aber gern welches haben.
    Da hat Henoch den Handel erfunden. Dem Fischer hat er Fleisch, dem Fleischer hat er Brot gebracht. Er war pünktlich, nicht allzu teuer, aber billig auch nicht.
    Und manchmal sagte einer: »Ich habe zum Geburtstag einen Hut bekommen, aber ich besitze schon einen. Willst du mir nicht diese Ente dafür geben, Henoch?«
    Und Henoch sagte: »Nein, die kann ich dir nicht geben, die ist nämlich schon deinem Nachbarn versprochen. Aber ich habe hier ein paar neue Schuhe, und ich sehe, die deinen sind bald hinüber. Gib mir den Hut, dann kriegst du dafür die Schuhe.«
    Und da sah der Mann erst, daß seine Schuhe bald hinüber sein würden, und er tauschte und dachte, gut, daß es den Henoch gibt!
    Henoch wurde reich. Nicht von heute auf morgen wurde er reich. Allmählich wurde er reich. Und schließlich war er sehr reich.
    Der Händler, das war Henoch klar, benötigt Gerechtigkeit als Grundlage für sein Gewerbe. Denn handeln können miteinander nur zwei Gleiche. Deshalb war Henoch ein gerechter Mann. Wenn zwei sich stritten, gingen sie zu Henoch.
    »Mach du den Richter«, sagten sie.
    Der Händler, das war ihm ebenfalls klar, benötigte Frieden. Wo Haß und Krieg herrschten, hatte der Handel wenig Spielraum. Deshalb war Henoch auch ein friedlicher Mensch. Wenn er sah, wie einer mit einer Schaufel auf einen anderen losging, um ihn zu schlagen, und alle Umstehenden das Schlichten längst aufgegeben hatten, dann trat Henoch zwischen die beiden.
    Und er sagte mit seiner leisen, feinen Stimme: »Nur einen Augenblick, ich will gar nicht stören. So eine Schaufel könnte ich brauchen. Ich tausche sie gegen einen Stapel Handtücher ein.«
    »Aber mit den Handtüchern kann ich den da nicht schlagen!« rief der

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