Geschichten von der Bibel
ihn und auch seinen Gott zu besänftigen. Auch Sarai beschenkte er. Er küßte sie nicht zum Abschied. Er gab ihr nicht die Hand. Er schenkte ihr seine eigene Tochter, Hagar, sie sollte Sarai dienen.
Über die Liaison von Sarai und dem Pharao ist sehr viel spekuliert worden. Er muß sie sehr geliebt haben. Diese schöne Frau! Die als einzige von allen Frauen, was Schönheit betraf, der Eva nahegekommen ist. Die mit siebzig noch so schön war, daß der Pharao ein Jahr lang um sie trauerte. Man wagt es kaum, offen auszusprechen, daß auch Sarai den Pharao geliebt haben könnte. Sie hat im Gefängnis Abram ewige Liebe geschworen, ewige Treue. Was, wenn selbst Sarai, die Fürstin, die Patriarchin, die Erhabene, das Vorbild aller Frauen, wenn selbst sie …
Abram, Lot, Eliëser, Sarai und nun auch Hagar verließen Ägypten und zogen weiter. Die Herden des Lot und die Herden des Abram waren inzwischen sehr groß geworden. Es gab Streit zwischen den Hirten, es war auch schwierig, mit einem so großen Troß zu ziehen. Und es war unvorteilhaft, mit so vielen Tieren und so vielen Menschen in ein Land einzuziehen.
Die Leute, die dort wohnten, bekamen Angst und sagten: »Die nehmen uns ja alles weg!«
Deshalb beschlossen Abram und Lot, sich zu trennen.
Sie sagten: »Wir teilen auf, was da ist.«
Abram sagte zu Lot: »Sag du, wohin du willst, ich nehme die andere Richtung.«
Lot wählte den Weg hinunter nach Sodom. Es hieß, in Sodom sei viel Platz, um Sodom seien ausreichend Felder, in Sodom könne eine Herde wie die des Lot ihr Auskommen finden, ohne daß Konflikte mit den dort ansässigen Bauern entstünden.
Abram nahm den anderen Weg, er zog mit den Seinen nach Kanaan. Es wird eine lange Zeit dauern, bis Abram und Lot einander wieder begegnen.
So legte die Zeit ein Jahr auf das andere. Abram wurde neunzig Jahre alt, Sarai ebenso, und sie hatten einen großen, einen schweren Kummer: Sie hatten keine Kinder. Es verging kein Tag, an dem Abram nicht zum Himmel blickte und seinen Gott bat, ihm doch einen Sohn zu schenken. Aber bisher war dieser Wunsch nicht erfüllt worden. Und Sarai weinte. Und manchmal fluchte sie auch.
ABRAHAM UND SARA
Von der Zeit in der Wüste – Von Abrams Traum – Von der gewissen Deutung des Traums – Von Hagar und Ismael – Von Sarais Eifersucht – Von König Abimelech – Von einem Besuch Gottes bei Abram und Sarai – Von Abraham und Sara – Von Saras Lachen – Von Isaak – Von einem Handel zwischen Gott und Abraham – Von der Vernichtung Sodoms
Abram und Sarai – inzwischen waren sie neunzig Jahre alt! Aber das ist nur eine Zahl. Die Menschen sind damals viel älter geworden. Das Alter war noch nicht so ein Problem, wie es für uns eines ist. Man wurde alt, aber man sah nicht älter aus. Sarai war immer noch die Schönste, eine blühende Frau, und Abram strotzte vor Elastizität und Manneskraft.
Sie zogen mit ihrem Volk und ihrem Vieh durch die Lande. Die Zeit floß dahin wie der breite Nil, den sie bei ihrem Besuch in Ägypten bewundert hatten. Abram war stundenlang am Ufer gestanden.
»Man verliert jeden Gedanken, wenn man ins Wasser schaut«, hatte er zu Eliëser gesagt.
»Ist das gut?« fragte Eliëser.
»Ja«, sagte Abram.
So hatten die beiden Freunde stundenlang am Nil gestanden und ins Wasser gestarrt. Eliëser wußte, warum es gut für Abram war, jeden Gedanken zu verlieren. Damals war Sarai beim Pharao. Die Zeit in der Wüste gleitet langsam.
Eines Tages hatte Abram einen Traum. Dieser Traum war so wirklich, so deutlich und bunt, daß ihn Abram träumend für die bunte Wirklichkeit hielt.
Er sah, daß Gott, der Herr, ihn besuchte, und Gott, der Herr, sagte zu Abram: »Abram, ich möchte aus dir mein Volk gründen.«
Abram antwortete im Traum: »Das hast du mir schon vor vielen, vielen Jahren gesagt.«
Gott sagte: »Zweifelst du etwa daran, Abram?«
»Nein«, sagte Abram, »ich zweifle nicht daran, aber schau: Ich bin jetzt neunzig Jahre alt. Wie soll aus mir noch ein Volk gegründet werden? Ich habe keinen Sohn, ich habe keine Tochter. Meine Frau Sarai ist kinderlos. Wir wissen nicht, woran es liegt. Sag mir, woran es liegt!«
»Du mußt Vertrauen haben!« sagte Gott.
»Ich habe Vertrauen!« rief Abram. »Zeige mir einen Menschen, der mehr Vertrauen in dich hat als ich! Aber: Kann ich auch Vertrauen haben über die Gesetze der Natur hinaus?«
»Was meinst du damit?« fragte Gott.
Abram meinte damit folgendes: Der Monatsfluß seiner Frau Sarai war längst
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