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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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und er wurde ein intelligenter junger Mann. Manche behaupteten, er sei arrogant. Er hatte, meinten manche, ein rüpelhaftes Wesen. Ihm fiel es nicht im Traum ein, sich vor den Götzen des Nimrod zu verbeugen. Und den Hut ließ er auf dem Kopf. Und nicht genug: Bei jeder Gelegenheit machte er sich über die Bilder lustig.
    »Sie sind nicht mehr auf dem neuesten Stand«, sagte er zum Beispiel. »Euer Gott hat in Wirklichkeit deutlich Augenringe bekommen und Hängebacken und Zahnlücken und eine Wamme unter dem Kinn. Sollte man seine Abbilder nicht einziehen? Nimrod muß sich doch ärgern, wenn er überall sieht, wie wenig Respekt die Natur vor ihm hat.«
    Und wenn er gefragt wurde, ob er denn nicht an Nimrod glaube, antwortete er schlicht: »Nein.«
    Und wenn er gefragt wurde, ob er überhaupt an etwas glaube, sagte er: »Ja.«
    Und wenn man ihn fragte, woran er denn glaube, hob er den Finger und sagte: »An den Gott des Noah, den Gott des Henoch, den Gott Adams.«
    War Abram ein mutiger Mann? Gewiß war er das. Aber er war eben auch ein privilegierter junger Mann. Er kannte weder Armut noch Arbeit, das Haus, in dem er lebte, wurde nicht von Soldaten des Nimrod durchsucht, und niemand auf der Straße wagte es, den Sohn des Kanzlers und ersten Generals zu beschimpfen. Abram genoß Narrenfreiheit. Noch … Aber sein Vater Terach machte sich Sorgen.
    Er sagte zu seinem Sohn: »Noch bist du jung. Die Jugend ist ein Narr. Das weiß auch Nimrod. Noch schützt dich mein Name.«
    »Was soll ich noch fürchten«, sagte Abram. »Gott hat mir seinen Engel in die Wüste geschickt, als ich am Verdursten war. Er hätte mich damals nicht gerettet, wenn er nicht etwas mit mir vorhätte.«
    »Aber was? Was hat er mit dir vor?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Abram.
    Edna – die zweite Frau des Terach – hatte im Turm der Geburt ihre Tochter zur Welt gebracht. Sie nannte sie Sarai. Das heißt Fürstin. Vielleicht wollte Edna mit diesem Namen einen kleinen Protest gegen Terach und Amitlai absenden, die sie immer als die zweite behandelt hatten.
    »Ich habe eine Fürstin geboren! Wenn ihr schon mir nicht die Ehre erweist, die mir gebührt, dann erweist sie wenigstens meiner Tochter!«
    Sarai war also die Halbschwester Abrams. Sie war gleich alt wie Abram, aber sie sah fünfzehn Jahre jünger aus, weil Gott den Abram so schnell hatte wachsen lassen. Und als Sarai fünfzehn Jahre alt war, sah Abram aus wie dreißig. Die beiden liebten sich von Anfang an.
    »Ich will, daß du meine Frau wirst«, sagte Abram.
    »Ich will, daß du mein Mann wirst«, sagte Sarai.
    Die beiden waren unzertrennlich. Sarai war Nimrods Götzen gegenüber nicht weniger respektlos als Abram. Wenn es Diskussionen mit ihrem Vater gab, war Sarai auf Abrams Seite. Und wenn Terach zum Machtwort griff, dann verteidigte Abram die Sarai.
    »Nur um eins bitte ich euch«, machte Terach einen letzten Versuch. »Meinetwegen redet zu Hause, was ihr wollt, verflucht Nimrod, meinen Arbeitgeber, der ja nicht nur schlechte Seiten hat, immerhin bekomme ich von ihm das Geld für die Brötchen, die ihr jeden Morgen zum Frühstück eßt, verflucht ihn meinetwegen nach Strich und Faden, aber draußen, draußen auf der Straße, haltet euch zurück.«
    »Aber was wir sagen, ist die Wahrheit«, konterte Sarai. »Nimrod ist ein Verbrecher!«
    »Die Wahrheit fühlt sich am wohlsten in den eigenen vier Wänden!« sagte Terach.
    »Entweder die Wahrheit kommt von Gott«, entgegnete Abram mit ruhiger Stimme, »dann gilt sie überall. Oder sie kommt nicht von Gott, dann gilt sie …«
    »… nirgends«, fuhr Lot fort.
    »Denn die Wahrheit …«, sagte Abram.
    »… ist Gottes Wort«, beendete Lot Abrams Satz.
    Lot war der Dritte im Bunde. Lot liebte Abram. Er habe ihn am Tag seiner Geburt aus der Wüste geführt. Ihrer beider Leben seien eins. Und wenn die Soldaten des Nimrod eines Tags gegen Abram vorgehen sollten, dann werde er sich ihnen entgegenstellen, sagte Lot.
    Der Vierte im Bunde war Eliëser. Eliëser war ein Knecht des Terach. Aber er war mehr als ein Knecht, er war Mitglied der Familie. Er war der Lehrer und Vertraute Abrams. Er war klug und besonnen und verstand es als einziger, das aufbrausende Gemüt Abrams zu beruhigen. Und Abram schätzte seinen Rat. Bis zu seinem Tod wird sich Abram Rat bei seinem Lehrer, Freund, Knecht holen. Und immer wird er diesen Rat beherzigen – fast immer.
    Bald scharten sich viele junge Leute aus Ur um Abram, Sarai, Lot und Eliëser. Und es war nur eine

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