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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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einen Engel.
    Und der Engel erschien Hagar in der Wüste und sagte: »Geh nach Hause, Hagar! Erdulde, was die Frau dir antut! Du wirst einen Sohn bekommen, und du sollst ihn Ismael nennen. Das heißt: Gott hat mich gehört. Denn es ist wahr, Gott hat deinen Schmerzensschrei gehört. Dein Sohn wird ein starker Mann werden, ein gerechter Mann, auch ein harter Mann. Wie ein Wildesel wird er in der Wüste leben und sich mit Waffengewalt am Leben erhalten. Ein großer Krieger wird er werden, seine Feinde werden sich vor ihm fürchten.«
    Das gab Hagar Kraft und Selbstbewußtsein, und sie kehrte zurück in das Zeltlager des Abram, und sie brachte den Ismael zur Welt.
    Abram war vernarrt in den Buben, er machte Hagar zu seiner Hauptfrau. Sarai mußte das Zelt Abrams verlassen. Das hat Sarai verbittert. Sie weinte nicht mehr.
    Sie ging zu Eliëser und sagte: »Du bist schuld! Du hast ihm diesen Traum so gedeutet, wie er es haben wollte. Jetzt hilf mir! Wie kann ich Abram wieder für mich gewinnen?«
    Eliëser dachte nach, sagte, er müsse über Nacht nachdenken, und er dachte über Nacht nach und sagte am Morgen zu Sarai: »Mach ihn eifersüchtig!«
    »Wie denn?« jammerte sie.
    »Jammere nicht«, sagte Eliëser. »Das steht dir nicht gut. Schminke deine Augen!«
    »Und dann?«
    »Schminke deinen Mund!«
    »Und dann?«
    »Schminke deine Wangen!«
    »Und dann?«
    »In wenigen Tagen brechen wir auf«, sagte Eliëser. »Wir werden durch das Land von König Abimelech ziehen.«
    »Und?« fragte Sarai ungeduldig.
    »Erinnere dich!« sagte Eliëser.
    »Rede nicht in Rätseln mit mir!« fuhr ihn Sarai an. »Woran soll ich mich erinnern?«
    »Du bist noch immer schön«, sagte Eliëser, »bist schöner als alle Frauen. König Abimelech wird dich ebenso schön finden wie der Pharao. Seine Soldaten werden dich mitnehmen, und wenn Abram sagt, du seist seine Frau, dann werden sie ihn töten, und deshalb wirst du besser sagen, du seist seine Schwester … Verstehst du jetzt, wie du Abram eifersüchtig machen kannst?«
    Sarai verstand. Und es geschah alles genau so, wie Eliëser gesagt hatte. Als Abram und die Seinen durch das Land des Königs Abimelech zogen, kamen die Soldaten.
    Und als sie Sarais schön geschminkte Augen unter ihrem Schleier sahen, fragten sie: »Wer ist das Weib?«
    Abram wollte antworten, sie sei seine Frau.
    Aber Eliëser machte große Augen zu Abram hin und sagte: »Sie ist die Schwester dieses Mannes.«
    Sarai klimperte mit den Wimpern. Die Soldaten nahmen sie mit und führten sie vor König Abimelech.
    Vergessen wir nicht: Sarai war neunzig Jahre alt! Aber sie sah aus wie eine Frau mit dreißig, eine schöne Frau mit dreißig, die jünger aussah, höchstens wie vierundzwanzig.
    Zwischen den Schriftrollen, die 1947 beim Toten Meer entdeckt wurden, fand man ein Lied auf die Schönheit Sarais. Einen Auszug möchte ich hier zitieren:
     
    Wie schön ist Sarai –
    Ihr langes, feines, glänzendes Haar,
    Ihre leuchtenden Augen, ihre zauberhafte Nase,
    Das Strahlen ihres Antlitzes!
    Wie voll ihre Brüste, wie weiß ihre Haut,
    Ihre Arme wie anmutig, wie zart ihre Hände –
    Ihre weichen Handflächen und langen, schmalen Finger –
    Wie biegsam ihre Beine, wie üppig ihre Schenkel!
    Von allen Jungfrauen und Bräuten,
    Die unter dem Himmel wandeln,
    Kommt keine Sarai gleich –
    Die schönste Frau unter dem Himmel,
    Vollkommen in ihrer Schönheit.
    Und bei alldem ist sie weise und klug,
    Und anmutsvoll bewegt sie ihre Hände.
     
    Wie zuvor der Pharao verliebte sich auch König Abimelech in Sarai, und er führte sie in sein Schlafgemach und legte sich mit ihr ins Bett, und als er ihre Haut berührte, stand wieder der Erzengel Michael unsichtbar für beide neben dem Bett und versetzte Abimelech einen Stromstoß, daß er aus dem Bett fiel.
    »Was ist das?« schrie der König. »Bist du eine Hexe?«
    »Ich bin keine Hexe«, sagte Sarai. Und sie log: »Das ist bisher noch bei keinem passiert.«
    »Was meinst du damit?« fragte Abimelech. »Denkst du, es liegt an mir?«
    »Vielleicht ist es ein Zeichen der Leidenschaft«, sagte Sarai und blinkte mit den Augen. Sie befürchtete, Abimelech würde sie gleich wieder zu Abram zurückschicken. »Vielleicht sollten wir bis morgen warten«, sagte sie.
    Aber am nächsten Tag war es nicht anderes. Abimelech berührte Sarai bei der Schulter, und wieder bekam er einen Schlag, diesmal einen noch schmerzhafteren.
    »Ich weiß nicht, ob wir es noch einmal versuchen sollten«, keuchte er, als

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