Geschichten von der Bibel
vorstellen, daß die Leute ihre Witze rissen.
»Sara? Die ehemalige Sarai? Einen Sohn? Mit neunzig? Wer’s glaubt, bitte!«
Sara mußte beweisen, daß sie die Mutter war, und das hat sie getan, indem sie ihrem Isaak öffentlich die Brust gab. Sara war eine stolze Mutter, aber die Bitterkeit hatte schon zu lange an ihrem Herzen genagt, so daß sie nicht mehr wirklich zufrieden sein konnte.
Sie sagte zu Abraham: »So, nun habe ich dir einen Sohn geschenkt, nun brauchen wir die beiden anderen nicht mehr. Ich brauche keine Magd mehr, vor allen Dingen keine Magd, die einen Sohn von dir hat. Schick Hagar weg, endgültig und für immer, und schick auch ihren Sohn Ismael weg. Wir haben Isaak. Schick die beiden in die Wüste.«
Abraham sagte: »Das will ich nicht tun, er ist mein Sohn! Ich liebe meinen Sohn.«
Sara sagte: »Entweder ich oder die beiden! Wenn du sie nicht wegschickst, dann gehe ich!«
Mit einem großen Schmerz in seinem Herzen stimmte Abraham zu.
»Du mußt uns verlassen«, sagte er zu Hagar. »Schau, daß du in der Nähe bleibst. Denn ich möchte Ismael ab und zu sehen.«
Ismael war ein kluger, ein findiger Kopf, der sich gern mit seinem Vater unterhalten hatte, der nicht immer derselben Meinung mit ihm war. Ihn hatte Abraham wirklich sehr geliebt, diesen Ismael, und nun mußte er sich von ihm trennen. Aber Abraham dachte, es wird alles gut.
Voll Liebe schaute er auf den kleinen Isaak, der da heranwuchs, der nicht so clever war wie Ismael, der ein bißchen schwerblütig war, dicklich, aber sehr brav, sehr lieb, anhänglich, der hinter seinem alten Vater her tappte und ihm alles nachmachte. Abraham war ein stolzer Vater.
Isaak erinnerte Abraham an seinen Neffen Lot, als sie noch jung waren. Auch Lot hatte ihm alles nachgemacht. Auch er war immer hinter ihm her gegangen. Hatte bei jeder Frage, die an ihn gestellt wurde, zuerst auf Abraham geschaut und erst dann geantwortet.
Und gerade als Abraham voll Wehmut an Lot dachte, da stand Gott wieder vor ihm. Diesmal war Gott allein, und sein Haupt war nicht in einer Wolke.
Gott sagte: »Abraham, ich möchte mich mit dir beraten.«
Das verunsicherte Abraham. Gott braucht einen Rat? Von ihm?
Gott sagte: »Ich habe etwas vor. Dazu möchte ich deine Meinung wissen. Siehst du, da gibt es eine Stadt, die heißt Sodom, und es gibt die Stadt Gomorra. Es sind böse Städte, ich will sie vernichten.«
Aus der Bibel erfahren wir, daß die Menschen in diesen Städten die Sitten brachen, daß sie sich der Homosexualität hingaben. Ich gebe zu, es fällt mir schwer, das zu glauben. Es gibt keine andere Stelle in der Bibel, wo so vehement gegen Homosexualität vorgegangen wird: Feuer und Schwefel vom Himmel! Ich nehme es vorweg.
Wenn wir die Mythen um Sodom und Gomorra genauer anschauen, auch außerbiblische Mythen hinzuziehen, dann ergibt sich ein anderes Bild. Sodom war eine Oasenstadt, reich, reich an sauberem Wasser. Eine befestigte Oasenstadt. Die Nomaden, die durch die Wüste kamen, durften nicht so ohne weiteres die Stadt betreten. Das ist leicht so dahingesagt. Für Nomaden gibt es nichts Schlimmeres. Halb verdurstet, Mensch und Vieh, und dann wird ihnen der Zugang zum Wasser verwehrt! Für Nomaden muß das der Gipfel der Verworfenheit, der Niedertracht sein. Es gibt triftige Vermutungen, daß die eigentliche Sünde von Sodom und Gomorra das Sperren ihrer Quellen war.
Wie auch immer: Gott beschloß, Sodom und Gomorra zu vernichten. Da fiel dem Abraham ein: Lot ist dort! Lot und seine Familie!
»Warum gleich vernichten?« fragte er Gott. »Angenommen, es gibt dort doch noch einige Gerechte.«
Und Gott sagte: »Wie viele Gerechte meinst du, daß in Sodom leben?«
»Hundert? Fünfzig? Fünfzig sicher.«
»Also gut«, sagte Gott, »wenn fünfzig Gerechte in Sodom leben, dann will ich die Stadt nicht vernichten.«
»Sehr gut«, sagte Abraham. »Das ist sehr gut. Da bin ich mit dir einverstanden, da kann ich dir nichts anderes raten.« Nach einer Weile sagte er: »Was aber, angenommen, wenn es nicht ganz fünfzig sind, sondern zum Beispiel nur fünfundvierzig? Fünfundvierzig sind ja auch nicht wenig.«
»Auch wenn es fünfundvierzig sind«, sagte Gott, »will ich die Stadt verschonen.«
»Und bei vierzig?«
»Bei vierzig? Bei vierzig … gut … auch …«
»Und wenn es dann doch nur dreißig sind?«
»Weil Abraham, mein Freund, sich für sie eingesetzt hat«, sagte Gott. »Also, wenn meine Engel dreißig Gerechte in Sodom finden, werden sie ihre
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