Geschichten von der Bibel
Schwerter stecken lassen.«
»Was bei zwanzig?«
Da wurde Gott ungeduldig: »Ich hätte dich nicht zu meinem Berater machen sollen, Abraham. Aber weil ich weiß, daß du nicht ruhen wirst – gut, bei zwanzig, soll’s so sein, bei zwanzig Gerechten gibt es keine Vernichtung. Und jetzt Schluß!«
Aber Abraham verhandelte weiter: »Zehn. Zehn Menschen sind nicht viel, und doch sind zehn Gerechte viel.«
»Zehn Gerechte«, donnerte Gott, »aber keinen einzigen mehr!«
Und dann verließ Gott Abraham.
Es gab keine zehn Gerechten in Sodom. Es gab nur vier: Lot, seine Frau Edith und seine beiden Töchter. Als sie die Stadt verlassen hatten, schleuderte Gott Feuer und Schwefel vom Himmel herab, und die Stadt brannte nieder.
Edith, die Frau des Lot, sie war eine Sodomiterin, drehte sich um und wollte einen letzten Blick auf ihre Heimatstadt werfen, da erstarrte sie zur Salzsäule.
Nur Lot und seine beiden Töchter überlebten. Sie verkrochen sich in der Nacht in eine Höhle. Die Töchter glaubten, die Welt sei untergegangen, und nur sie, sie beide und ihr Vater, seien verschont geblieben.
Da sagten sie sich: »Die Menschheit muß doch überleben! Unter allen Umständen und gegen alle Gebote und gegen alle Verbote muß die Menschheit überleben!«
Sie machten ihren Vater betrunken, und als er eingeschlafen war, legten sie sich zu ihm, erst die ältere, dann die jüngere. Beide wurden sie schwanger. Die ältere Tochter brachte einen Sohn zur Welt, den nannte sie Moab, er gründete den Stamm der Moabiter. Die zweite Tochter brachte einen Sohn zur Welt, den nannte sie Ben-Ammi, er wurde der Stammvater der Ammoniter.
ABRAHAM UND ISAAK
Von Gottes grausamer Forderung – Von Abrahams Tränen – Von einem traurigen Marsch – Von der Verführung durch Samael – Von Eliësers und Ismaels bösen Gedanken – Von Samaels Besuch bei Sara – Vom goldenen Widder – Von Gottes Gnade – Von Saras Tod
Und dann war Abraham weit über hundert Jahre alt, und eines Tages saß er wieder einmal allein vor seinem Zelt, da kam Gott und setzte sich zu ihm.
Gott sagte: »Abraham, wie geht es dir?«
»Gut«, sagte Abraham.
Gott war in der Verkleidung eines Mannes gekommen, eines Reisenden, sein Kopf war frei, er verbarg ihn nicht wie bei den letzten Besuchen in einer Wolke.
»Und wie geht es deiner Familie?« fragte Gott.
»Ja, gut geht es meiner Familie«, sagte Abraham.
Abraham wußte nicht, was Gott von ihm wollte, aber es war auszuschließen, daß der Herr der Erde und des Himmels einfach nur zum Plaudern zu seinem Knecht Abraham kam. So dachte sich Abraham: Er will etwas von mir. Was aber will er von mir? Habe ich sein Mißfallen erregt? Will er vielleicht wieder meinen Rat? Soll eine andere Stadt vernichtet werden? Abraham war auf der Hut.
Gott ließ eine lange Pause, und dann sagte er: »Wie geht es deinem Sohn, Abraham?«
»Welchem?« fragte Abraham. »Ich habe zwei Söhne, Ismael und Isaak.«
»Ja«, sagte Gott, »siehst du, zuerst hast du befürchtet, du bekommst gar keinen Sohn, jetzt hast du sogar zwei Söhne.«
»Ja, durch deine Güte«, sagte Abraham.
Nach einer Weile sagte Gott: »Ich will wissen: Wie geht es dem Sohn, den du liebst?«
»Ich liebe sie beide«, sagte Abraham leise und vorsichtig.
»Hm«, sagte Gott, »einen wirst du lieber haben. Wie geht es dem?«
Abraham war verwirrt, er dachte: Gott will mich auf die Probe stellen. Er will mir einen Sohn wegnehmen, denn ich habe ja zwei. Was brauche ich zwei? Er will einen zurückhaben. Er wird mir den lassen, den ich mehr liebe, und den, den ich weniger liebe, wird er mir nehmen.
Gott fragte nochmals: »Welchen von deinen beiden Söhnen liebst du mehr?«
»Den Isaak«, antwortete Abraham, »denn er ist der Sohn von Sara, auf ihn haben wir so lange gewartet.«
Da sagte Gott zu Abraham: »Ihn sollst du mir opfern! Führe ihn auf den Berg, schneide ihm die Kehle durch, verbrenne seinen Leib auf einem Scheiterhaufen! Den Isaak möchte ich zurückhaben.«
»Nein!« schrie Abraham und seufzte. »Tu das nicht!«
»Was soll ich nicht tun?« fragte Gott.
»Mir einen solchen Befehl erteilen!«
»Willst du wieder mit mir handeln? Wie du um die Gerechten von Sodom gehandelt hast? Was hast du mir anzubieten, Abraham? Dein eigenes Leben? Das hätte ich haben können. Und nicht nur einmal. Ich weiß, dein eigenes Leben würdest du mir gern geben. Aber ich will wissen, ob mein Knecht Abraham seinem Gott gehorsam ist. Und das kann ich nur wissen, wenn ich das
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