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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Abraham, »bitte, sag meinem Sohn nichts, bleib ihm verborgen.«
    »Wer soll mir verborgen bleiben?« fragte Isaak.
    Er hatte es inzwischen mit der Angst zu tun bekommen, er meinte, sein Vater sei vielleicht verrückt geworden, denn der Mensch spricht nur dann mit Unsichtbaren, wenn er verrückt ist.
    »Ich bin auf deiner Seite, Abraham«, sagte Samael. »Ich verspreche dir, ich werde Isaak nicht erscheinen, und ich werde ihm nicht sagen, was du vorhast.«
    Dann verschwand der Teufel. Vater und Sohn gingen weiter. Und dann stand Samael wieder am Weg, aber er sagte nichts. Und Abraham tat, als ob er ihn nicht sähe.
    Und Vater und Sohn gingen weiter. Und dann konnte Abraham den Gipfel des Berges sehen. Und er wußte, es würde nur noch wenige Minuten dauern, bis er seinem Sohn die Kehle durchschneiden und seinen Leib auf dem Scheiterhaufen verbrennen mußte.
    Und da stand wieder Samael neben dem Weg. Aber auch diesmal sagte er nichts. Er stand da, lehnte an einem verdorrten Baum – denn alles Leben verdorrt, wenn es der Teufel berührt –, hatte die Arme verschränkt und blickte an Abraham vorbei.
    »Du«, sagte Abraham.
    »Sprichst du mit mir?« fragte Samael.
    »Ja, mit dir«, sagte Abraham. »Du sagst, du seist auf meiner Seite.«
    »Unbedingt.«
    »Dann sag meinem Sohn, was ich vorhabe! Erscheine ihm! Warne ihn! Damit er das Holz von seiner Schulter wirft und davonläuft. Er ist jung, ich werde ihn verfolgen müssen und werde es auch tun, aber ich werde ihn nicht erwischen. Er wird mich sein Leben lang hassen, aber er wird leben.«
    »Ich kann dir diesen Gefallen leider nicht tun«, sagte Samael.
    »Aber warum nicht?«
    »Ich habe dir versprochen, daß ich Isaak nicht erscheine.«
    »Ich entbinde dich von dem Versprechen«, sagte Abraham zum Teufel.
    »Oh, nein«, erwiderte Samael und wackelte mit dem Zeigefinger. »Du willst mich prüfen, willst sehen, ob ich wirklich auf deiner Seite stehe. Ich bin einer, der seine Versprechen hält!«
    Und dann war der Teufel verschwunden. Und mit schwerem Herzen ging Abraham weiter voran, und Isaak folgte ihm.
    Samael, der Teufel, aber erschien Eliëser und Ismael, die unten auf halbem Weg warteten.
    Er sagte zu den beiden: »Wißt ihr, was Abraham vorhat? Der will seinen Sohn Isaak töten.«
    Eliëser und Ismael glaubten dem Teufel, denn der Teufel kann sehr glaubwürdig wirken.
    »Meine Güte«, sagten sie, »Abraham ist krank! Er ist verrückt geworden. Er ist uns ja die ganze Zeit schon irgendwie merkwürdig vorgekommen. Wir müssen Isaak retten!«
    Da aber pflanzte Samael böse Gedanken in ihre Herzen, und sie dachten jeder für sich.
    Eliëser dachte: Na ja, vielleicht, wenn wir ihn nicht retten, dann stirbt Isaak, dann werde ich vielleicht alles erben. Abraham ist alt, ich zwar auch, aber ich könnte ihn überleben. Ich müßte nur Ismael töten …
    Ismael dachte: Wenn mein Bruder Isaak stirbt, werde ich alles erben. Das wäre nur gerecht. Der einzige, der mir in die Quere kommen könnte, ist Eliëser. Aber nicht, wenn ich ihn töte …
    Das waren die bösen Gedanken, die Samael Eliëser und Ismael ins Herz pflanzte. Aber böse Gedanken können nur in bösen Menschen wachsen und Frucht tragen. Eliëser und Ismael aber waren keine bösen Menschen. Und sie widerstanden dem Teufel.
    Da machte sich Samael auf den Weg zu Sara. Er traf sie, als sie gerade ein Mus aus Datteln bereitete.
    Und er sagte: »Sara, ich brauche mich dir nicht vorzustellen, du weißt, wer ich bin.«
    Da erschrak Sara so sehr, daß sie die Schüssel fallen ließ, und die Schüssel zersprang, und das Mus floß auf die Erde.
    »Was ist geschehen?« fragte sie. »Ich weiß, deine Worte werden mein Herz zerspringen lassen wie die Schüssel mit dem Mus.«
    Samael sagte: »Ich spreche zu dir ohne Umschweife: Abraham will deinen Sohn Isaak, auf den du fünfzig Jahre und mehr gewartet hast, töten. Gott hat es ihm befohlen.«
    Da begann Sara zu schreien, der Schmerz schrie aus ihr heraus, sie konnte ihn nicht halten, sie rang nach Luft, und als sie wieder genug Luft hatte, schrie sie weiter.
    »Ich bin auf deiner Seite«, sagte Samael. »Schrei deinen Schmerz heraus. Und dann fluche! Fluche auf deinen Mann. Und fluche auf Gott, der deinen Mann zu dieser Tat verführt hat.«
    Sara schrie und riß sich die Haare aus und zerkratzte sich die Brust. Nur Schmerz war in ihrem Herzen. Der Schmerz vertrieb jedes andere Gefühl. Nur Schmerz war da. Aber aus Schmerz kann kein Fluch wachsen. Flüche wachsen aus dem

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