Geschichten von der Bibel
Gott wirklich alles sieht. Kann es nicht sein, daß er gerade in diesem Augenblick irgendwo anders hingeschaut hat?«
»Nein«, sagte Jakob, »wenn mein bisheriges Leben, das ich mit Spekulationen verbracht habe, irgendeinen Wert hat, dann doch nur den, daß ich genau solche Fragen zu beantworten weiß: Gott sieht alles. Glaub mir!«
»Gut«, sagte Rebekka, »ich will nicht deine Spekulationen in Frage stellen. Ich werde alles auf mich nehmen. Es ist meine Schuld gewesen, daß Esau vor dir auf die Welt kam. Ich hätte bei eurer Geburt mehr achtgeben sollen.«
Von nun an setzte Rebekka alles daran, Esau vor seinem Vater Isaak schlechtzumachen.
Esau heiratete, er heiratete zwei Frauen, Judith und Basemat. Basemat war die Tochter seines Onkels Ismael. Mit Ismael verstand sich Esau sehr gut. Die beiden waren sich im Charakter ähnlich. Esau erzählte Ismael von seinen Problemen.
»Jakob ist ein Narr«, sagte Ismael.
»Aber ich habe eine Verzichtserklärung unterschrieben«, sagte Esau.
»Ich kenne Typen wie Jakob«, sagte Ismael. »Sie haben keine Kraft. Sie haben nicht einmal die Kraft zum Betrug. Er geht durch den Tag und heult und hat Mitleid mit sich selber, weil er etwas Böses getan hat.«
Esaus Frauen waren wie Esau, realistisch, praktisch, vernünftig.
Ein großes Hochzeitsfest sollte stattfinden. Isaak, der Vater, wollte das. Isaak liebte seinen Sohn Esau. Esau führte seinen blinden Vater oft hinaus auf die Felder, legte dessen Hand auf den Rücken eines Kalbes, das eben geboren worden war, oder führte seine Hand in einen Sack mit Korn. Esau wußte, daß sich die Seele seines Vater dabei erholte.
Isaak war alles unheimlich, was nicht mit Händen zu greifen war. Jakobs Spekulationen waren ihm unheimlich. Er wollte nichts davon wissen. Er nickte, wenn die Rede auf Jakobs Ideen kam. Und dieses Nicken war eindeutig. Es hieß: Ich wußte ja, daß von ihm nichts Vernünftiges zu erwarten war.
Rebekka wollte das Hochzeitsfest für Esau nicht organisieren. Aber Isaak sprach ein Machtwort. Also bat Rebekka die Bräute Judith und Basemat zu sich.
»Ich muß ein Fest für euch organisieren«, sagte sie mürrisch. »Aber nur, damit ihr es wißt: Ich tu’s nicht gern!«
»Dann tu’s nicht«, sagten Judith und Basemat.
Rebekka ging zu Isaak und sagte: »Sie wollen gar kein Fest, die beiden Frauen deines Sohnes.«
Isaak sagte: »Aber ich wünsche es mir! Ich bin ein alter, blinder Mann, der viel Leid in seinem Leben erfahren hat. Und ich wünsche mir, daß für meinen Sohn Esau, der mir der liebste ist, ein schönes Hochzeitsfest gegeben wird!«
Rebekka befahl abermals Judith und Basemat zu sich. »Isaak hat mich gebeten, euch noch einmal zu fragen. Ich tu es hiermit, damit die Form gewahrt bleibt: Wollt ihr ein Hochzeitsfest?«
»Wenn Isaak es wünscht, warum nicht«, sagten die beiden.
Rebekka gab Auftrag, das Fest vorzubereiten. Aber es sollte sein wie ein Fest für Bettler. Kein Schmuck sollte die Tafel zieren. Das war ihr ausdrücklicher Befehl.
Da sagten sich Judith und Basemat: »Esau, unser Mann, wird gekränkt sein, wenn er sieht, wie grausam lieblos seine Mutter zu ihm ist. Deshalb wollen wir selber die Tafel für unsere Hochzeit schmücken. Ihm zuliebe.«
Sie besorgten bunte Tücher, die sie über die Tische und Stühle legten, und sie stellten niedliche Figuren zwischen die Speisen.
Als Rebekka das sah, ging sie zu Isaak und sagte: »Esaus Frauen haben ihre Götzen mitgebracht.«
Eines Tages rief Isaak seinen Sohn Esau zu sich und sagte: »Esau, ich bin alt und will nicht mehr, ich gebe dir meinen Segen. Du bist mein Erstgeborener.«
Esau hatte seinem Vater nicht erzählt, daß er sein Erstgeburtsrecht an seinen Bruder Jakob verkauft hatte.
Ismael hatte ihm abgeraten: »Du bringst den Alten nur in Verlegenheit«, hatte Ismael gesagt. »Behellige ihn damit nicht. Jakob wird es nicht wagen, diese ominöse Urkunde vorzuweisen. Ignoriere die Sache einfach!«
»Ja, Vater«, sagte er nun, »gib mir deinen Segen. Ich bin bereit.«
»Geh und schieß mir ein Wild«, sagte Isaak. »Ich will mit dir gemeinsam essen. Bereite mir das Wildbret zu, wie ich es mag. Du verstehst das. Dein Essen habe ich am liebsten. Nach dem Essen werde ich dich segnen.«
Esau holte seine Jagdwaffen, und dann zog er los, um eine Antilope oder ein Reh zu schießen. Rebekka hatte gelauscht und alles gehört.
Sie ging zu Jakob und sagte: »Jetzt ist es soweit. Isaak ist in der Laune, seinen Segen zu geben. Geh, mein
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