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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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scheint die Sonne, in der Nacht regnet es. Warum sollte es nicht in alle Zukunft so sein?«
    »Ich habe geträumt«, sagt der Pharao. »Josef handelt nach meinen Träumen.«
    »… die er interpretiert hat«, wird geknurrt.
    Aber der Pharao läßt sich nicht beirren. Er schenkt den Neidern kein Gehör. Andere Fachleute kommen.
    »Es ist wunderbar, was der Vizekönig da macht«, sagen sie zum Pharao. »Ganz wunderbar! Großartig. Kompliment! Das heißt, es ist wunderbar, was er will. Ein guter Mensch! Aber zwischen Wollen und Können ist ein Unterschied. Es wird nicht funktionieren, was er will. Noch nie ist es gelungen, Weizenkorn und Hülsenfrüchte länger als zwei Jahre zu lagern. Die Maden werden es verderben, die Maden und der Brand.«
    Josef begegnet den diesbezüglichen Anfragen mit Gelassenheit. Er hat feinen Staub unter die Vorräte streuen lassen, das bewirkt, daß die Maden nicht an das Getreide gehen und der Brand nicht aufkommt.
    »Wissenschaftliche Erkenntnisse«, sagt der Pharao. »Alles, was Josef befiehlt, soll geschehen!«
    Josef ist der Vizekönig, der Vertraute des Pharaos, der »Doppelgänger« des Pharaos, wie manche sagen. Und: Er ist auch sein Freund.
    Sieben Jahre Glück sind wie eine Ewigkeit. Nach sieben Jahren nimmt man das Glück hin als eine Selbstverständlichkeit. Wer sich das Unglück nicht mehr vorzustellen vermag, kann damit nicht umgehen, wenn es ihn trifft.
    Nach den sieben fetten Jahren begannen die sieben mageren Jahre. Kein Regen fiel mehr, die Felder verdorrten, die Frucht starb ab, und die wenigen privaten Vorräte der Menschen waren bald aufgezehrt.
    Nun öffnete Josef seine Speicher und brachte das Korn und die Hülsenfrüchte auf den Markt. Zuerst bezahlten die Leute mit Geld, dann hatten sie kein Geld mehr. Aber Hunger hatten sie trotzdem. Da gaben sie ihr Vieh gegen Getreide. Dann hatten sie kein Vieh mehr, aber immer noch Hunger. Da gab jeder sein Land für Getreide, und dann gab jeder sein Haus für Getreide. Am Schluß, als sie gar nichts mehr hatten, gaben sie sich selbst, verkauften sich, verkauften ihre Arbeitskraft, verkauften sich in die Sklaverei.
    Wenn die Hungersnot zu Ende sein wird, wird dem Pharao alles gehören: Das Geld wird ihm gehören, das Vieh wird ihm gehören, die Häuser werden ihm gehören, die Felder werden ihm gehören, und die Menschen werden ihm auch gehören. Das wird er Josef verdanken.
    Von einem moralischen Standpunkt aus betrachtet, könnte man seine Zweifel haben, von einem ökonomischen Standpunkt aus betrachtet, muß man zugeben: Josef war sehr geschickt. Ein Genie!
    Josef hatte sich in diesen vierzehn Jahren verändert. Er galt nach wie vor als gerecht, aber er galt auch als streng. Als unerbittlich streng. Er war still geworden, unnahbar.
    Man sagte: »Mit ihm kannst du nicht verhandeln! Du mußt zahlen. Prinzipien hat er so hart wie Stein.«
    Immer hielt er sein Gesicht verschleiert. Man vergaß, wie er aussah.
    Die Hungersnot war nicht auf Ägypten begrenzt, auch die angrenzenden Länder waren davon betroffen, Kanaan, Syrien. Die Menschen kamen nach Ägypten, weil sie gehört hatten, in Ägypten gebe es Korn zu kaufen. Der Hunger trieb sie.
    Josef, der Vizekönig, der auch die Macht hatte über die Gesetzgebung, erließ ein Gesetz, das lautete: »Jeder, der Getreide haben will, muß persönlich kommen. Wenn sich herausstellt, daß einer das Getreide zum Weiterverkauf erwirbt und nicht für den Eigengebrauch, dann wird er getötet. Kein Mann, der nach Ägypten kommt, um hier Getreide einzukaufen, darf mehr als ein Lasttier bei sich haben, und jeder muß den Erwerb des Getreides mit seinem Namen, dem Namen seines Vaters und dem Namen seines Großvaters bestätigen.«
    Josef ließ sich von seinen Beamten jeden Tag eine Liste geben, auf der die Namen aller standen, die von außen ins Reich gekommen waren, um hier Getreide einzukaufen. Er wollte den Schwarzmarkt unterbinden, das Handelsmonopol des Pharaos schützen. Aber es gab auch einen persönlichen Grund für diese Maßnahmen: Josef dachte, eines Tages werden seine Brüder kommen, um Getreide zu kaufen. Auch in Kanaan herrschte Hungersnot.
    Die Hungersnot in Kanaan war so stark, daß Jakob, der Alte, bald nicht mehr wußte, wie er seine Leute ernähren sollte.
    Er rief seine Söhne zu sich und sagte: »Ich habe gehört, in Ägypten unten gibt es Getreide und Hülsenfrüchte zu kaufen. Man sagt, dort herrsche ein kluger Vizekönig, der habe Vorräte angelegt in den guten Jahren. Ihr

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