Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
Vom Netzwerk:
Wochenend-Schlupfwinkel benutzt, um mich dort von den Problemen in Whitehall zurückzuziehen. Dort konnte ich im Itchen fischen, wie ich es auch schon in Winchester getan hatte. Das war ein wundervolles Angelgebiet. Aber an diesem Wochenende im Juli 1914 war das Landhaus alles andere als ruhig. Nicolson rief alle fünf Minuten vom Büro aus an. Und dann tauchte auch noch Duggan im Garten auf. Vielleicht hätte ich in London bleiben sollen; dort hätte er seine Behauptungen nicht über mich ergießen können. Das hätte ihm vielleicht eine Gefängnisstrafe erspart und mir... nun, wollen wir sagen, eine Menge Seelenqualen. Und ich hätte vielleicht festgestellt, dass mein Vermittlungsangebot erst nach Ablauf der Frist nach Wien übermittelt worden war. Duggan hatte in einer gewissen Weise ganz recht. Überall gab es Verrat. Ich hatte keine Ahnung, wie viel. Hätte ich den ganzen Umfang begriffen, hätte ich... Doch was nützt mein Bedauern jetzt noch? Ich habe mein Bestes gegeben. Und mir war nicht klar, dass die anderen ihr Schlechtestes taten. Dennoch, während der langen, kalten Nächte frage ich mich häufig, was wohl geschehen wäre, wenn ich auf Duggan gehört hätte.
    Sie wollen sicher auch wissen, ob ich an die Existenz einer Concentric Alliance glaube. Nun, ich weiß es nicht. Damals war ich wohl nicht der Meinung. Doch seit Kriegsende ist so viel Widersprüchliches und Zweifelhaftes über die Geschehnisse in Sarajevo ans Licht gekommen, dass ich mir nicht mehr länger sicher bin. Ich habe diese Sache genauer betrachtet, als ich vor einigen Jahren meine Memoiren geschrieben habe. Dabei bin ich auf einige sehr merkwürdige Tatsachen gestoßen. Zum Beispiel war einer von Princips Komplizen, ein Bursche namens Cabrinovitch, der Polizei von Sarajevo bekannt. Er war 1912 des Landes verwiesen worden. Er wurde zwei Tage vor dem Attentat gesehen. Aber der Polizeichef befahl, ihn in Ruhe zu lassen. Man fragt sich unwillkürlich, warum. Dann ist da noch die Sache mit der Blausäure. Was hätte die Schwarze Hand davon gehabt, dass ihre Agenten lange genug lebten, um ein Geständnis ablegen zu können? Schließlich musste man davon ausgehen, dass Serbien nicht wirklich annehmen konnte, es würde einen Krieg gegen Österreich-Ungarn gewinnen, ja nicht einmal einigermaßen heil überstehen. Es ist unverständlich. Sie haben jedenfalls einen hohen Preis bezahlt, aus welchem Grund auch immer. Der Offizier, der Princip und Cabrinovitch ausgebildet und ihnen die Phiolen mit dem wirkungslosen Wasser gegeben hatte, Major Tankositch, starb 1915 im Feld. Und der Chef der Schwarzen Hand, Oberst Dimitrievitch, wurde 1917 wegen eines Mordkomplotts gegen den serbischen Prinzregenten hingerichtet. Die Beweise gegen ihn waren sehr dürftig, um es vorsichtig auszudrücken. Eigenartigerweise war einer seiner Mitangeklagten ein junger Mann namens Mehmedbasitch, der einzige der Attentäter von Sarajevo, der entkommen konnte. Obwohl man ihn zu einer zwanzigjährigen Haftstrafe verurteilte, wurde er entlassen, bevor er auch nur ein Jahr abgesessen hatte. Überall Verrat, Horton. Verstehen Sie, was ich meine? Aber warum? Und auf wessen Geheiß? Ich weiß es nicht. Und ich wüsste auch nicht, wie man es herausfinden sollte. Was ich sagen kann, habe ich in meinen Memoiren aufgeschrieben. Haben Sie sie zufällig schon gelesen?«
    »Ich bedaure, nein, Sir.«
    »Das macht nichts. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Worte, die ich benutzt habe. Sie scheinen mir immer noch treffend. »Der Welt werden vermutlich niemals alle Hintergründe der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand erklärt werden. Wahrscheinlich gibt es keine und hat es auch niemals eine Person gegeben, die alles weiß, was es zu wissen gab.« »Außer Fabian Charnwood.«
    »Sie sagen es. Außer Fabian Charnwood. Aber wenn dem so ist, hat auch er mittlerweile seinen Preis bezahlt.«
    »Glauben Sie wirklich, dass er für all das verantwortlich war?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Nicht, weil ich Duggans Wort anzweifelte. Er ist ein aufrechter Kerl und glaubt, was man ihm erzählt hat. Und auch nicht, weil die Tatsachen diese Möglichkeit ausschlössen. Denn das tun sie ganz offenkundig nicht.«
    »Weshalb dann?«
    »Weil jeder, der klug und weitsichtig genug war, um die Konsequenzen der Ermordung Franz Ferdinands zu erkennen, auch den schrecklichen und verheerenden Verlauf hätte vorhersehen müssen, den der Krieg nehmen würde. Und sicher hätte kein Mensch ein solches Chaos

Weitere Kostenlose Bücher