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Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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auslösen wollen. Es wäre...« Ihm schienen einen Augenblick die Worte auszugehen. Dann fasste er sich und fuhr fort: »... monströs gewesen. Teuflisch. Schlicht und einfach undenkbar.«
    Während unserer Unterhaltung war es Abend geworden, und als Grey mich einlud, mit ihm zu essen und über Nacht zu bleiben, lehnte ich nicht ab. Er war ein charmantes und einsames Relikt einer längst versunkenen Ära und wollte das quälende Thema vergessen, das ich wieder ans Licht gezerrt hatte. Stattdessen unterhielt er sich lieber über das Winchester vor fünfzig Jahren, wie er es aus seiner heiteren und unbeschwerten Jugendzeit in Erinnerung hatte. Und ich gab seiner nostalgischen Stimmung nur zu gern nach, nicht nur, weil er mein Gastgeber war, sondern weil meine Entdeckungen auch mich bedrückten. Da war es ausnahmsweise besser, alte Erinnerungen aus Winchester hervorzukramen.
    Ich schlief fester, als ich erwartet hatte, und wachte frisch und munter auf. Die unbeantworteten Fragen und die undurchdringlichen Zusammenhänge von Fabian Charnwoods Vergangenheit kamen mir jetzt beinah erträglich vor. Unten wartete das Frühstück auf mich, doch Seine Lordschaft war, wie das Dienstmädchen mich informierte, bereits unterwegs. Er schlief nicht lange.
    Ich fand ihn an einem Weiher auf dem Grundstück. Dort saß er auf einer Bank und warf den quakenden Enten Brot zu. Trotz des Lärms hörte er mich kommen und nickte mir höflich zu.
    »Ich muss aufbrechen, Sir«, erklärte ich. »Es ist ein langer Weg zurück nach London.«
    »Sicher, sicher. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Horton.« Er stand auf, und wir schüttelten uns die Hände. Seine war so kalt wie Marmor. »Ich hoffe, dass Sie meine Gesellschaft gestern Abend nicht gelangweilt hat.«
    »Nicht im geringsten.«
    »Und was die Sache betrifft, über die wir uns unterhalten haben... Loyalität einem Freund gegenüber ist eine sehr lobenswerte Eigenschaft. Aber manchmal muss man die Vergangenheit auch begraben und die Dahingeschiedenen in Frieden ruhen lassen. Ich glaube, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten, dass Sie alles getan haben, was Sie konnten - und was Sie angemessenerweise auch hätten tun sollen -, um den Namen Ihres Freundes zu rehabilitieren.«
    »Aber ich habe es nicht geschafft, nicht wahr?«
    »Nein. Sie haben ihn nur in ihren eigenen Augen rehabilitiert. Und das ist doch das einzige, was zählt. Nehmen Sie das Wort eines alten Mannes darauf.« Er lächelte. »Sie haben genug getan.«
    Greys Bemerkung zum Abschied kreiste in meinen Gedanken, als ich in dem schwindenden Licht dieses Novembersonntags nach Süden fuhr. Charnwood war tot. Max ebenfalls. Es war genauso müßig, den einen zu verurteilen wie den anderen zu entlasten. Ich glaubte jedes Wort, das Duggan mir erzählt hatte, vor allem wenn ich an die Umstände dachte, unter denen Charnwood den Tod fand. Ich konnte zwar keine genaue Auflistung dieser Umstände geben, aber ich zweifelte nicht daran, dass die Concentric Alliance eine Rolle dabei gespielt hatte -was sie auch sein mochte und wer ihre Mitglieder waren. Der arme Max war nur ihr Sündenbock gewesen.
    Doch das zu beweisen war unmöglich. Mein Vertrauen in seine Unschuld musste reichen, wie Grey es angedeutet hatte. Selbst Diana würde ihn weiterhin für schuldig halten. Sie wusste nichts von der Concentric Alliance. Ihre Reaktion auf das Geheimsymbol bewies das, wie umgekehrt Vitas Reaktion mindestens zeigte, dass sie Kenntnis von den Aktivitäten ihres Bruders hatte, wenn nicht sogar Mitwisserin war. Doch mit Diana verhielt es sich anders. Max zu rehabilitieren würde bedeuten, ihren Vater als Massenmörder zu brandmarken. Mit ihrer Mutter unter seinen Opfern. Das Versenken der Lusitania war eine Konsequenz der Ermordung Franz Ferdinands, die Charnwood nicht hatte vorhersehen können. Denn wenn er es getan hätte...
    Genug. Die Alternative war einfach. Ich konnte direkt nach dem Amber Court fahren, vergessen, was ich wusste, und mich den körperlichen Genüssen und materiellen Vorteilen hingeben, die Diana mir gern gewähren würde. Mein Verhalten konnte ich damit rechtfertigen, dass es zu spät war, Max zu helfen, und daher nur vernünftig, mich um mich selbst zu kümmern. Oder ich konnte den gewagten Feldzug weiterführen und versuchen, ein altes, aber ungeheuerliches Verbrechen aufzudecken, dessen Hauptschuldiger tot war und dessen überlebende Komplizen sich als ebenso rücksichtslos wie mächtig erwiesen hatten. Letztendlich

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