Geschlossene Gesellschaft
Mordes getan hatte. Damals hatte ich auf das Verhör gewartet und mich dabei über das Übergewicht der Bücher über den Weltkrieg in Charnwoods Bücherregalen gewundert. Jetzt war ich es, der auf Antworten wartete, und die Auswahl seiner Bücher ergab einen schrecklichen Sinn. Charnwoods Beschäftigung mit dem Krieg war die des Künstlers mit seinem größten Werk. Hier waren die Schlachten und Feldzüge penibel aufgeführt, die er heimlich initiiert hatte, der Blutzoll an toten Männern und zerstörten Nationen, die auf sein Konto gingen. Die gut ausgestattete Bibliothek eines zivilisierten, gebildeten Mannes und das überquellende Beinhaus eines Kriegsgewinnlers: In Charnwoods Fall waren sie ein und dasselbe.
Ich konnte mir etwa vorstellen, was sich Diana und Vita zu erzählen hatten. Gegenseitige Beschuldigungen und Vorwürfe würden vermutlich hin- und herfliegen. Ich hoffte es sogar. Das würde meinem Zweck am besten dienen. Denn im Gegensatz zu dem, was ich Vita vorgemacht hatte, war ich keineswegs so zuversichtlich, die Beschuldigungen beweisen zu können, die ich erhoben hatte. Vielleicht hörte mir die Polizei ja gar nicht zu. Und eine Exhumierung, vorausgesetzt, die Polizei stimmte ihr überhaupt zu, würde möglicherweise nicht die gewünschten Ergebnisse zeitigen. Aber Dianas Entsetzen über meine Enthüllung der Concentric Alliance hatte meine Position gestärkt. Das war genau der Hebel, den ich brauchte, um Vita und Diana zu entzweien. Ihr Zwist konnte mein Sieg werden. Teile und herrsche. Das war die passende Strategie gegen Fabian Charnwood, diesen großen Teiler. Aber würde sie auch erfolgreich sein?
Ich hatte beinahe eine Stunde Zeit, um darüber nachzudenken, als die Tür geöffnet wurde und Diana das Zimmer betrat. Sie war ernst und ruhig und bleich wie Marmor. Sie trug den Topasanhänger nicht mehr, aber ich konnte nicht sagen, was das bedeutete.
Sie schloss die Tür, trat ein paar Schritte ins Zimmer, blieb dann stehen und schaute mich direkt an. Ihr Blick war weder trotzig noch schuldbewusst. Es war so, als habe sie einen Kampf mit ihrem Gewissen zu ihrer vollsten Zufriedenheit beendet und meine Beschuldigungen als unwichtig eingestuft. Die Zeit für weibliche Verstellung und subtile Ausflüchte schien vorbei zu sein, und nun konnte sich endlich die wirkliche Diana Charnwood zeigen.
»Nun?« begann ich. »Wirst du mir sagen, wo er ist?«
»Die Welt glaubt, dass mein Vater auf dem Friedhof von Dorking begraben liegt. Ich glaube nicht, dass du diese Meinung so leicht erschüttern kannst.«
»Dann lässt du mir keine andere Wahl.«
»Als zur Polizei zu gehen?«
»Genau.«
»Das wäre ein Fehler, das kann ich dir versichern. Sie würden deinem Wort weniger glauben als unserem. Das Wort eines bekannten Gauners gegen das der Schwester und der Tochter eines respektablen Mannes.«
»Mein Gott, du hast ein...«
Sie hob eine Hand, um mich zum Schweigen zu bringen. »Selbst wenn sie das täten, selbst wenn sie herausfänden, was du behauptest, würde es für dich übel enden.«
»Warum?«
»Weil ich sagen würde, dass du mitgemacht hast. Ich würde behaupten, dass du uns in jeder Phase geholfen hast - bis ein Streit unter Liebenden dazu geführt hat, dass du dich gegen mich gewendet hast. Ich bin sicher, das würden sie ebenfalls glauben.«
Sie meinte es ernst, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Und ich war sicher, Hornby würde diese Story nur zu gerne schlucken. Sie würde Max' Tod letztlich wesentlich besser erklären als der Bericht, den ich geben konnte.
»Ich habe Max nicht ermordet, Guy. Es war wirklich ein Unfall. Ich wusste nicht einmal, dass er in Venedig war. Was an diesem Nachmittag in der Villa geschah, kam... von Herzen. Ich erwarte nicht, dass du mir glaubst. Aber das solltest du glauben: Wenn du das, was wir getan haben, zu einer Lüge machst, dann mache ich daraus eine andere. Und da du mich für eine gewiefte Lügnerin hältst, wirst du nicht daran zweifeln, dass die Polizei mich viel überzeugender finden wird als dich.«
»Überzeugungskraft wird dich nicht retten.«
»Nein. Aber vielleicht meinen Vater. Wenn ich behaupten ' würde, dass du ihn ermordet und Max dafür die Schuld in die Schuhe geschoben habest, dann bestünde Lightfoots Rolle in diesem Spiel einfach darin, dass du ihn eingeführt hast, um mich zu beschuldigen und dich zu entlasten. Lightfoot mag vermisst werden, aber wo ist der Beweis, dass er anstelle meines Vaters starb ? Die Ergebnisse
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