Geschlossene Gesellschaft
an. »Das ist mein Preis. Und ich schachere nicht. Akzeptier ihn, oder lass es bleiben.«
»Wenn ich es lasse?«
»Ich habe ja bereits die Konsequenzen genannt.«
»Und Max? Was ist mit seinem Ruf? Mit der Erinnerung an ihn ?«
»Wenn das hier herauskommt, wird niemand mehr glauben, dass er meinen Vater ermordet hat. Die Schuld wird auf Faraday fallen und die Leute, die hinter ihm stehen. Und in einem gewissem Sinne ist das auch richtig.« »Aber es ist nicht die Wahrheit, nicht wahr?« »Es kommt der Wahrheit näher als alles, was du jemals ans Licht fördern könntest.«
Diana hatte recht. Ich hatte es ausgenutzt, dass sie von dem Geheimnis zwischen ihrer Tante und ihrem Vater ausgeschlossen war, und hatte damit Erfolg gehabt. Aber es war nur ein Teilerfolg. Statt zu kapitulieren, hatte sie mich vor eine Alternative gestellt. Die Concentric Alliance oder Fabian Chamwood. Beides konnte ich nicht haben. Und es war fraglich, ob ich ohne ihre Hilfe auch nur eins von beiden zur Strecke bringen würde. »Wo ist er?« fragte ich gelassen.
»Akzeptierst du meine Bedingungen?«
»Sag mir einfach, wo er ist.«
»Nicht, bis wir uns geeinigt haben.«
»Ja, verdammt noch mal! Ich akzeptiere deine Bedingungen. Tut Vita das auch?«
»Sie akzeptiert es, weil dies der einzige Weg ist, dich daran zu hindern, zur Polizei zu gehen.«
»Gut.« Ich schaute sie erwartungsvoll an. »Nun?«
»Er ist in Dublin.«
»Dublin?«
»Ja. Nicht Zürich oder Triest oder wo ihn seine Gläubiger vermutet haben. Sondern dort, wo die Stimmung so antibritisch ist, dass die Behörden mit Behäbigkeit reagieren werden, wenn die Polizei von Surrey - oder irgendjemand sonst aus diesem Land - anfängt, Fragen zu stellen.«
»Wo in Dublin?«
»Das weiß ich genauso wenig wie Tante Vita. Wir haben eine Postfachnummer, an die wir in Notfällen schreiben können. Er kontrolliert sie täglich. Mein Angebot lautet wie folgt: Wir beide fahren nach Dublin und schicken ihm einen Brief, in dem wir äußerst dringlich verlangen, dass er sich mit mir trifft. Bei diesem Treffen erzähle ich ihm von dem, was du willst, und mache ihm klar, dass du zu Faraday gehst und ihm die Meute der Concentric Alliance auf den Hals hetzt, wenn er nicht kooperiert. Ich glaube, dass er dies als größere Bedrohung sieht, als wenn du zur Polizei gehst. Er muss zustimmen, weil er keine Alternative hat.«
Mir wurde plötzlich klar, dass er dann auch keine andere Wahl mehr haben würde, als seiner Tochter die ganze Wahrheit zu erzählen. Sie wollte die lange überfällige Erklärung einfordern, warum ihre Mutter sterben musste. Und er würde sie ihr geben. Er würde uns beiden geben müssen, was wir wollten.
»Warum zögerst du, Guy? Ist das nicht besser als das, weswegen du hergekommen bist?«
»Vielleicht.«
»Eine Möglichkeit, die Geschichtsschreibung richtigzustellen. Die Chance, wenigstens einmal die Schuldigen mehr leiden zu lassen als die Unschuldigen. Ein Weg, sie dazu zu bringen, ihre Schuld abzutragen.«
»Sie werden uns aufhalten, wenn sie können.«
»Sie werden keine Chance bekommen. Sie werden die Bedrohung, die wir für sie darstellen, erst begreifen, wenn es zu spät ist.«
Und dann? wollte ich fragen. Würde nicht auch die Zeit kommen, da wir bezahlen mussten? Ich wusste, was sie sagen würde. Ich hörte die Antwort in meinem Kopf, die sie mir immer gegeben hatte: Nur dieses eine Mal. Wie verführerisch war diese Aussicht! Das Dach über ihrem Kopf zum Einsturz zu bringen. All die falschen Anführer und betrügerischen Könige auffliegen zu lassen. Sie alle zu demaskieren. Einmal, dieses eine Mal, mich über Angst und Schwäche zu erheben. Ein einziges Mal zu handeln, ohne die Kosten zu bedenken oder den Gewinn auszurechnen.
»Was hältst du davon, Guy?«
»Wann reisen wir ab?«
Sie lächelte unmerklich. »So bald wie möglich. Hier...« Sie holte den Bradshaw aus einem Regal, legte ihn auf den Tisch, überflog das Inhaltsverzeichnis und schlug dann die entsprechende Seite auf. »Mal sehen. Morgen früh um 8 Uhr 30 fährt ein Zug von Euston nach Holyhead, mit Anschluss an die Fähre nach Kingstown. Dann können wir gegen sechs Uhr abends in Dublin sein. Und wir können am nächsten Morgen als allererstes einen Brief ans Postamt schicken, damit mein Vater ihn abholt.«
»Morgen also?«
»Ja. Und ich denke, wir sollten dieses Haus sofort verlassen. Ich will nicht mehr hier sein, wenn Quincy zurückkommt. Tante Vita kann ihm erzählen, dass wir deine
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