Geschlossene Gesellschaft
wie viel ihm gezahlt wurde, war auch nicht anzunehmen, dass er Schwierigkeiten machen würde. Ich traf ihn kurz nach ein Uhr am vorderen Tor, sorgte dafür, dass er seinen Wagen weit genug auf der Straße ließ, gab ihm den Umschlag mit dem Bestechungsgeld und begleitete ihn durch den Wald zu der Stelle, wo er den Mann treffen sollte. In seiner Kleidung und frisch rasiert sah er meinem Vater wirklich ähnlich, mindestens in dämmrigem Licht. Ich hörte, wie er leise den Tonfall meines Vaters übte; und das erregte mich, ob du es mir glaubst oder nicht. Ich wusste, dass er die Sätze niemals würde aufsagen müssen, die er so sorgfältig gelernt hatte und nun vor sich hin sprach.
Papa wartete im Wald kurz hinter dem Zauntritt. Er traf ihn von hinten und schlug ihn bewusstlos. Wir leerten seine Taschen, steckten Papas Brieftasche, seine Uhr, Taschentuch und so weiter hinein. Dann...« Zum ersten Mal trat so etwas wie Reue in ihre Stimme, doch sie unterdrückte sie sofort. »Dann ging ich ein Stück zurück, während Papa die tödlichen Schläge ausführte. Es dauerte nicht lange, aber... Es gab sehr viel Blut. Anschließend zitterte Papa wie Espenlaub. Ich glaube, keiner von uns hat erwartet, dass es so schrecklich sein würde.«
»Vermutlich war es das erste Mal, dass dein Vater jemanden mit seinen eigenen Händen umbrachte.« Sie warf mir nur einen Seitenblick zu und fuhr fort, als hätte ich nichts gesagt: »Dann trennten wir uns. Papa ging zum vorderen Tor und fuhr in Lightfoots Wagen weg. Ich ging zum Haus zurück, holte Tante Vita und ging mit ihr gegen Viertel nach zwei los. Ich dachte, dass Max dann bereits geflohen sein würde, nachdem er die Leiche entdeckt, sie für die meines Vaters gehalten und begriffen hätte, dass man ihn des Mordes beschuldigen würde. Aber wieder mischte sich die menschliche Natur ein. Die Liebe, die ich so erfolgreich in ihm geweckt hatte, muss ihn dazu gebracht haben, zum Haus zu gehen. Als er uns herankommen hörte, versteckte er sich, weil er nicht wusste, wer wir waren. Tante Vita war außer Atem, und ich blieb stehen, damit sie sich erholen konnte. Da sagte ich etwas Dummes. »Bleib hier, wenn du willst, Tantchen. Ich werfe einen Blick auf die Leiche und komme dann zurück.« - »Nein, nein«, antwortete sie. »Wir sollten so tun, als wüssten wir nicht, was uns dort erwartete Wir redeten in normaler Lautstärke, weil wir nicht damit rechneten, dass jemand uns hörte. Und wir waren nervös. Vermutlich hat Vita deswegen gefragt: »Wo, glaubst du, ist Max?« - »Schon längst über alle Berge, erwiderte ich. Und dann sagte sie: »Er tut mir fast ein bisschen leid, weißt du. Von seinem Freund und von seiner Verlobten betrogen. Genau das waren ihre Worte. Sie müssen Max wie ein Dolch ins Herz getroffen haben. Er brach aus dem Unterholz vor uns hervor und floh den Weg entlang. Wir riefen hinter ihm her, aber er blieb nicht stehen. Er hatte genug gehört, um zu wissen, dass wir alle gegen ihn waren, selbst du.«
»Deshalb hat er den Wagen genommen, ohne auf mich zu warten, und deshalb hat er später seinem Vater geschrieben, dass du und ich ihn betrogen haben. Als er uns in Venedig zusammen gefunden hat, muss ihm das wie die endgültige Bestätigung seines schlimmsten Verdachtes vorgekommen sein.« »Ja, Guy, das befürchte ich auch.«
Wenn ich in dieser Nacht den richtigen Weg genommen hätte, wenn ich Max gefolgt wäre, statt Vitas Stimme... Wenn ich den Wagen überhaupt nicht verlassen hätte... Es gab so viele Möglichkeiten, wie der Ablauf dieses Abends hätte geändert werden können. Nicht aber das Ergebnis. Es blieb dasselbe, wie ich es auch drehte und wendete. Für immer blieb es dasselbe.
»Dann bist du aufgetaucht. Noch eine Überraschung, die unsere Verwirrung steigerte. Aber wir sind gut damit fertig geworden, findest du nicht?«
»O ja«, pflichtete ich ihr bei. Die Bitterkeit über das, was Max gedacht haben musste, färbte meine Worte. »Es war eine gekonnte Vorstellung.«
»Tante Vita büßte für ihren Fehler, indem sie dich überredete, mich zum Haus zurückzubegleiten. Wenn wir dich erst einmal von der Leiche weggelockt hatten, waren wir in Sicherheit. Papa hatte seinen Kammerdiener Barker schon vor Monaten entlassen, und keiner der anderen Diener würde sich rühren. Und selbst wenn, wären sie ebenso gründlich getäuscht worden wie du. Es war alles sehr überzeugend. Vor allem für die Gläubiger von Charnwood Investments. Für sie war mein Vater
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