Geschlossene Gesellschaft
sicher, dass es funktionieren würde. Warum auch nicht? Was sollte schiefgehen, wenn wir Lightfoot an seiner Stelle umbrachten? Nichts, soweit ich sehen konnte. Und Lightfoot versuchte ich mir weniger als einen Menschen denn als anonymen Fremden vorzustellen, dessen Auslöschung eine bedauerliche Notwendigkeit war.« Sie hielt inne. »Jetzt bist du angewidert, nicht wahr, Guy?«
Ich wollte sie weder verurteilen noch entschuldigen, bevor ich nicht alles gehört hatte, und munterte sie mit einem Blick auf fortzufahren.
Sie räusperte sich. »Ich glaube immer noch, dass nichts schiefgelaufen wäre, wenn Papa nicht darauf bestanden hätte, dass wir sowohl ein Opfer als auch einen Mörder präsentieren müssten, weil seine Gläubiger von einem Mord ohne Motiv nicht überzeugt sein würden. Doch schließlich kannte er sie besser als ich. Und für Tante Vita und mich war es auch einfacher, wenn die Polizei einen Schuldigen hatte, den sie verfolgen konnte. Also stimmte ich zu, ja ich schlug sogar vor, wie wir ihn finden könnten.«
»Indem ihr deine legendäre Fähigkeit nutztet, Männer anzuziehen und zu fesseln?«
»Ja«, antwortete sie vollkommen ernst. »Genau.«
»Wie du auch den Verlobten gefunden hast, der sich selbst umbrachte?«
»Peter war ein Narr. Männer sind so, weißt du.« Sie machte eine Kunstpause. »Anwesende selbstverständlich ausgeschlossen.«
»Hatte die Fahrt nach Amerika noch irgendeinen anderen Zweck?«
»Nein. Eine Kreuzfahrt über den Atlantik schien mir die beste und sicherste Methode, die richtige Sorte Mann zu finden. Aber unsere Fahrt dorthin war eine einzige Enttäuschung. Erst auf der Rückfahrt stießen wir zufällig auf den Typ, nach dem ich suchte. Und da du schon fragst, ich habe Max dir immer vorgezogen. Hinter seiner zynischen Haltung war ein romantisches Herz, das sich danach sehnte, sich zu verschenken und vielleicht auch gebrochen zu werden. Und du warst mir viel zu ähnlich. Außerdem wirkte Max wie jemand, der fähig war, einen Mord zu begehen, wenn man ihn dazu trieb, wohingegen du...«
»Ja, Diana? Wohingegen ich was?« Sie schaute weg. »Das ist nicht wichtig. Max verfiel mir. Und zwar vollständiger, als ich es zu hoffen gewagt hätte. Er sagte, er habe sein ganzes Leben lang auf mich gewartet, ohne es zu bemerken. Er behauptete, ich sei seine Rettung, dabei war er meine.«
»Und mehr hat er dir nicht bedeutet? Mehr als ein Opfer für deinen Vater?«
»Seine Hingabe hat mir geschmeichelt. Manchmal hat sie mich sogar gerührt. Doch das hat mich nie davon abgehalten zu tun, was nötig war.« Sie hielt inne, als warte sie auf meine Reaktion. Doch jetzt hatte ich meine Wut sehr gut unter Kontrolle. Nicht einmal meine Miene verriet etwas. »Du warst das einzige Hindernis«, fuhr sie dann fort. »Ich fürchtete, dass deine Freundschaft mit Max die Dinge komplizieren könnte. Aber Papa beruhigte mich. Er betrachtete dich als Aktivposten, vor allem, nachdem er Nachforschungen über dich angestellt hatte und herausfand, wie zweifelhaft deine und Max' Vergangenheit war.«
»Warum sollte unsere Vergangenheit ein Gewinn sein?«
»Weil aus ihr zu schließen war, dass du leicht als Papas Informant verpflichtet werden konntest. Und weil wir wussten, dass nur Max' Vernarrtheit in mich der Grund dafür sein konnte, dass er sich weigerte, sich auskaufen zu lassen. Er würde deshalb auch nicht zögern, wenn du eine gemeinsame Flucht vorschlügest. Ich sollte der Polizei nach dem Ereignis schildern, dass Papa zugegeben hatte, von dir über unsere Pläne unterrichtet worden zu sein - gegen eine große Summe Geldes, selbstverständlich. Es hätte sie in jeder Hinsicht zufriedengestellt und den zusätzlichen Vorteil gehabt, dass Max nach seiner Verhaftung jedem Rat von dir misstraut hätte.«
»Was hat dich aufgehalten?«
»Deine Anwesenheit in Dorking in dieser Nacht. Sie passte schwerlich zu dem, was ich hatte sagen wollen.« »Die menschliche Natur ist nicht immer frei von Widersprüchen.«
»Nein. Vermutlich sind deswegen so viele Dinge schiefgelaufen. Wir sind eben Menschen. Papa hatte Lightfoot gesagt, dass er in den frühen Morgenstunden benötigt werde, um einem Steuerprüfer ein Bestechungsgeld zu übergeben, während Papa gleichzeitig einige hundert Meilen entfernt auf einer Wochenendparty in Yorkshire war. Damit habe er ein perfektes Alibi, falls der Steuerinspektor ihm eine Falle stellen sollte. Lightfoot hatte diese Erklärung bereitwillig geschluckt. Wenn man bedenkt,
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