Geschlossene Gesellschaft
tot.«
»Vielleicht hättet ihr ihn einäschern lassen sollen.«
»Das haben wir auch erwogen. Aber Papa dachte, es würde Verdacht erregen. Ich habe erst viel später begriffen, wie misstrauisch einige seiner Investoren waren, sogar schon vor dem Mord. Sie müssen Wind von seinen finanziellen Schwierigkeiten bekommen haben. Papa hatte Tante Vita gewarnt, dass Faraday für sie arbeitete - und damit für die Concentric Alliance. Natürlich konnte sie mir nicht verraten, warum wir uns ihm gegenüber so vorsichtig benehmen mussten, warum wir ihn um keinen Preis beleidigen durften. Ich dachte, dass nach der Beerdigung und der Untersuchung die Schwierigkeiten vorbei wären. Doch das waren sie nicht. Sie fingen sogar gerade erst an. Und Venedig war nicht weit genug entfernt, um sie hinter uns zu lassen. Selbst dort wurden wir beobachtet. Unter anderem von dir.« Sie lächelte mich an. »Willst du das etwa abstreiten, Guy? Willst du so tun, als hätte man dich nicht dafür bezahlt, uns zu folgen, willst du etwa leugnen, dass du die Affäre mit mir nur angefangen hast, um herauszufinden, wie viel ich weiß ?«
»Dieses Spiel kann man auch zu zweit spielen. Willst du behaupten, dass du mich nicht aus demselben Grund ermutigt hast?«
»Vielleicht.«
»Oder hattest du Angst, dass Max hinter dir her war?«
»Nein. Das ist nicht wahr.« Wir starrten uns gegenseitig an. Sie klang aufrichtig, aber das hatte sie schon zu oft getan. Ich konnte nicht sicher sein. Ich wollte ihr glauben, und sei es auch nur, weil es so einfacher war, den Waffenstillstand aufrechtzuerhalten. Wenn sie mich verführt hatte, um Max eine Falle zu stellen, warum hätte sie dann unsere Affäre nach seinem Tod weiterführen sollen? Warum, außer weil in irgendwelchen Ecken unserer so ähnlichen Charaktere eine Faszination steckte, die wir nicht abstreiten konnten? »Du musst mir glauben, Guy. Ich wollte ihn wirklich nicht töten.«
»Du wolltest, dass er wegen Mordes verurteilt - und möglicherweise gehängt würde.«
»Ich hätte vor Gericht für ihn ausgesagt. Ich hätte geschildert, was für eine schreckliche Provokation es für ihn gewesen sein musste, meinen Vater statt meiner dort vorzufinden. Ich hätte nicht zugelassen, dass man ihn hängt.«
»Nur, dass er für den Rest seines Lebens im Gefängnis verrottete?«
»Ich hoffte, dass man ihn nicht erwischte, hoffte, er wäre vernünftig genug, wegzulaufen und für immer wegzubleiben. Ich wollte Max niemals weh tun.«
»Das alles war ja nur eine bedauerliche Notwendigkeit, wie auch die, daneben zu stehen, während dein Vater Lightfoot ermordete?«
»Hast du nicht auch Dinge getan, die nicht für besonders viele Skrupel sprechen? Betrug. Diebstahl. Erpressung. Papa hat mir alles über dich erzählt, Guy. Du hast keinen Grund, mir eine Predigt zu halten.«
»Ich habe niemals Beihilfe zu einem Mord geleistet.«
»Nein. Aber die Concentric Alliance hat das getan. Sie hat Beihilfe zum Mord in Millionen von Fällen geleistet. Deshalb fahren wir nach Dublin. Vergiss das nicht.«
»Das werde ich auch nicht vergessen.« Der Handel, den wir abgeschlossen hatten, galt immer noch, und unser Waffenstillstand hatte Bestand.
»Lass sie nicht aus den Augen, alter Knabe. Beobachte sie wie ein Falke.«
Ja, Max, das habe ich vor. Aber ich will auch durchführen, was wir vorhaben. Wir sind in dieser Sache Gefährten - mindestens für den Augenblick.
Plötzlich öffnete sich die Tür, und der Fahrkartenschaffner trat herein. Er strahlte eine Demut aus, die er zweifellos für die Fahrgäste erster Klasse reserviert hatte. »Guten Morgen, Sir, guten Morgen, Madam. Die Fahrkarten, bitte.« Ich reichte sie ihm, und nachdem er sie gelocht hatte, lächelte er und fragte: »Fahren Sie bis nach Dublin, Sir?«
»Ja.«
»Angenehme Reise.«
Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, begegneten sich Dianas und mein Blick. »Es dürfte wohl keine angenehme Reise werden«, murmelte sie. »Aber hoffentlich eine erfolgreiche.« Ich hatte den vagen Eindruck, dass der irische Freistaat immer noch wie Anfang der Zwanziger vom Bürgerkrieg geschüttelt wurde, doch Diana versicherte mir, dass seitdem schon längst Ruhe und Ordnung eingekehrt seien. Charnwood hatte sich ein ruhiges Zerrbild von England als Versteck ausgesucht, ein Nest, in dem niemand ihn suchen würde - bis auf die, die wussten, dass er da war.
Es war schon dunkel, als die Fähre in Kingstown anlegte -oder Dun Laoghaire, wie man die Stadt seit der
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