Geschlossene Gesellschaft
Schulter nach, während wir weitergingen. »Ein weiteres Opfer«, flüsterte sie. »Es gibt so viele. Wir schulden ihnen wenigstens Arbeit, finden Sie nicht?«
»Da Sie schon fragen: Nein, finde ich nicht.«
Zu meiner Überraschung lächelte sie. »Sie sind wie Max, tun so herzlos. Aber Sie fühlen nicht wirklich so, nicht wahr?«
»Nein.«
»Wie ist es gekommen, dass Max in Mazedonien angeschossen wurde? Er sagte, es sei ein Unfall gewesen.«
»Das war es auch, in gewisser Weise.«
»In welcher Weise?« Wir hatten die Brompton Road erreicht und gingen jetzt an der Hauptfassade des Geschäfts vorbei. Ich rang mit mir, ob ich es ihr sagen sollte, und entschied mich dann dafür. Wenn Max aufrichtig sein durfte, konnte auch ich es sein. »Ein Soldat namens Hopkins lief Amok. Langeweile und Moskitos hatten ihn verrückt gemacht. Max und ich versuchten, ihn zu entwaffnen, und er feuerte sein Gewehr ab. Die Kugel prallte von Max' Schädel ab. Es war keine Absicht, denn Hopkins hätte keiner Fliege etwas zuleide tun können. Deshalb sagten wir beide, dass die Flinte aus Versehen losgegangen war. Das hat Hopkins vor dem Erschießungskommando gerettet, wenn auch nicht vor einem längeren Aufenthalt im Bau. Max schätzte, dass es das mindeste war, was er unter diesen Umständen hatte tun können. Die Verletzung machte ihn invalide und brachte ihn nach Hause, bevor der Krieg vorbei war. Wir anderen mussten bis lange nach dem Waffenstillstand dableiben.«
»Auch wenn Sie sich darüber lustig machen, Sie mussten es nicht tun, nicht wahr? Sie brauchten kein Mitleid für den Soldaten Hopkins zu haben.«
»Wohl nicht, aber...«
»Und Max leidet deswegen immer noch unter Kopfschmerzen, nicht wahr? Er hatte erst neulich welche, das weiß ich. Ich habe es an seiner Miene erkannt. Der Streit mit meinem Vater hat sie vermutlich noch verschlimmert.
»Gut.« Ich blieb stehen. »Ich werde mit Ihrem Vater reden.«
Ich redete mir ein, dass es das einzig Vernünftige war, was ich tun konnte. Sollten Max und Diana doch glauben, dass ich so altruistisch handelte, wie sie es wollten. Die Wahrheit war eine andere. Und jeder Vergleich mit dieser Mitmenschlichkeitsshow dreizehn Jahre zuvor in Mazedonien hinkte. »Ich werde versuchen, ihn umzustimmen. Für euch beide.«
»Das ist alles, worum ich Sie bitte. Oh, Gott segne Sie, Guy.« Sie reckte plötzlich den Kopf hoch, um mich zu küssen. Ihre Lippen auf meinen war ein ebenso entwaffnendes wie angenehmes Gefühl. Doch es narrte mich nicht. Nicht eine Sekunde lang. »Sie sind ein echter Freund.«
»Diana...«
»Ich muss jetzt gehen. Tante Vita wartet sicher schon auf mich. Treffen Sie sich so bald wie möglich mit Papa. Und denken Sie daran, Max und ich verlassen uns auf Sie. Wir setzen unsere Hoffnungen auf Sie.«
»Ja, aber...«
Zu spät. Sie hatte sich bereits umgedreht und war durch die Tür gegangen, die man ihr aufhielt. Ihr gemustertes Kleid verschwand im schattigen Inneren des Geschäftes. Ich seufzte und ging die Straße entlang in Richtung Bunch of Grapes, wo Max auf mich wartete. Laut Diana hatten sie ihre Hoffnungen auf mich gesetzt. In diesem Fall waren sie in guter Obhut - soweit es mich betraf, jedenfalls.
Die Büros von Charnwood Investments nahmen das oberste Stockwerk eines beeindruckenden Gebäudes einer Versicherungsgesellschaft in Beschlag. Es erstreckte sich über die halbe Südseite von Comhill. Charnwoods hyänenhafte Sekretärin willigte schließlich ein, mir zwanzig Minuten in dem überfüllten Terminkalender des großen Mannes zu gewähren. Für drei Uhr am folgenden Nachmittag. Ich sorgte dafür, dass ich nicht zu spät kam.
Charnwood trank Tee, als ich ankam. Mit Zitrone. Weder Milch noch Zucker waren zu sehen, und er bot mir auch keine Tasse an. Er wirkte spürbar barscher als letztes Mal, fast ein wenig ungeduldig, als er mir mit einer Handbewegung bedeutete, mich zu setzen, und ohne Umschweife zur Sache kam.
»Ich vermute, Mr. Wingate hat endlich Vernunft angenommen und Sie hergeschickt, um unsere Vereinbarung zu einem Abschluss zu bringen.« »Ich fürchte nicht. Er...«
»... hat mich letztes Wochenende mit seinem Geschwätz ermüdet, dass er meine Tochter liebt. Er besteht doch wohl nicht auf seiner Behauptung, kein finanzielles Motiv zu haben?«
»Das tut er. Und ich glaube ihm.«
»Sie überraschen mich, Mr. Horton.«
»Mich hat Max überrascht. Es besteht kein Zweifel daran, dass er Diana aufrichtig liebt - und sie ihn. Vielleicht war er ja
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