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Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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eine Möglichkeit gefunden, sich zwischen Max und dessen Geliebte zu stellen.
    Es wurde zwei Uhr, und die Zeit verstrich weiter. Dann lief auch die Frist von einer halben Stunde ab, die Max sich selbst gesetzt hatte. Von ihm war nichts zu sehen oder zu hören, und nichts in der Finsternis verriet, was er getan hatte. Gegen halb drei war ich davon überzeugt, er müsse mittlerweile begriffen haben, dass er vergeblich wartete. Offensichtlich wollte er nicht zum Wagen zurückkehren. Ich zwang mich zu überlegen, was ich tun würde, wenn ich wirklich nur so wenig wüsste, wie ich behauptet hatte. Die Antwort war simpel: ihm folgen. Ich durchdachte die Frage noch einmal und gelangte wieder zu derselben Antwort. Es war absolut notwendig, dass ich mich wie der Unwissende benahm, der ich nicht war. Ich beugte mich der Logik meines eigenen Arguments, kletterte aus dem Wagen und ging den Pfad entlang.
    Max hatte vor ein paar Tagen eine brandneue Taschenlampe gekauft. Meine hatte ich in einem Schrank in der Wohnung gefunden. Es war ein wesentlich schlechteres Modell mit einem wackeligen Schalter und einem schwachen Lichtstrahl. Ich hätte neue Batterien hineintun sollen, aber natürlich hatte ich mir nicht die Mühe gemacht. Jetzt bereute ich es, als ich in dem schwankenden Licht den schmalen, aber ausgetretenen Pfad zwischen knarrenden Eichen und Buchen entlangging und bei jedem Schritt das Laub ungezählter Herbste um meine Füße raschelte. Nach einem zehnminütigen Fußmarsch dachte ich daran, nach Max zu rufen, aber irgendetwas hielt mich davon ab. Tagsüber wäre ich hier vielleicht auf einer sonnenüberfluteten Lichtung herumgetanzt, doch bei Nacht war es ein anderer Ort: ruhig, wachsam und gegen meine stumpfen Stadtsinne gewappnet.
    Dann teilte sich der Weg. Mit dieser Möglichkeit hatte ich nicht gerechnet. Keiner der beiden Wege schien ausgetretener zu sein als der andere. Selbst wenn ich in der Stimmung gewesen wäre, den Fährtensucher zu spielen, so fehlten mir doch die Fähigkeiten für diese Rolle. Genauso wenig konnte ich mir die Fußwege auf der Karte ins Gedächtnis rufen, die ich dummerweise im Wagen gelassen hatte. Ich überlegte kurz, ob ich zurückgehen sollte, gestand mir aber ein, dass ich kaum besser Karten lesen als Spuren suchen konnte. Ich hätte natürlich auch einfach an Ort und Stelle aufgeben können, aber die Situation erforderte schon etwas mehr Hartnäckigkeit. Der linke Weg wirkte etwas breiter und gerader, also beschloss ich, es dort zu versuchen.
    Ich vermutete bald, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Ich war weit genug gegangen, um zu diesem Zauntritt zu gelangen, aber es war keiner zu sehen. Dann wurden die Bäume lichter, und bevor ich es begriff, hatte ich den Wald verlassen und war durch ein offenes Tor einige Meter auf ein Feld hinausgetreten. Ich sah mich erschreckt um und wollte gerade wieder kehrtmachen, als ich ungefähr eine Viertelmeile weiter unten am Hang die Lichter eines Hauses sah. Es musste auf einem Hügel stehen, den ich nicht sehen konnte. Nach Zahl und Abstand der beleuchteten Fenster handelte es sich um ein beträchtliches Anwesen. Das musste der Amber Court sein. Das offene Gitter ließ vermuten, dass auf dem Feld kein Vieh war. Auf den ersten Blick hätte mich nichts daran hindern können, geradewegs zum Haus zu gehen. Max hatte gesagt, dass der Pfad eine Wiese hinter dem Wald durchquere, die von den Gärten durch einen versenkten Grenzzaun getrennt war. Wenn ich mich dicht an den Wald hielt, musste ich unausweichlich zu demselben Punkt gelangen. Und doch erschien es mir besser, zur Weggabelung zurückzugehen. Ich musste um jeden Preis vermeiden, mich zu verraten. Und ich musste Max finden. Nach einiger Quälerei beschloss ich umzukehren.
    Ich trat wieder in den Wald und bewegte mich so schnell, wie es die tintenschwarze Finsternis erlaubte. Die Taschenlampe benutzte ich nur selten, für den Fall, dass ich sie noch für Wichtigeres brauchen würde, als Baumwurzeln auszuweichen. Plötzlich ertönte in einigem Abstand zu meiner Linken ein Schrei. »Wer ist da?« Es war die alarmierte, schrille Stimme einer Frau, möglicherweise die von Diana, vielleicht aber auch nicht. Wie auch immer, ihr Ruf galt nicht mir. Aus derselben Richtung ertönte ein Krachen im Gehölz, jemand brach durch Blätter und Zweige. Dann kam das Geräusch vom Pfad vor mir. Nein, es war auf dem anderen Weg, und während ich lauschte, erreichte jemand die Gabelung und rannte Hals über Kopf zur

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