Geschlossene Gesellschaft
Verzögerung zur Polizei zu gehen.«
»Natürlich. Ich werde das auch tun. Doch was dann?« Er schaute mich zweifelnd an. »Was ich da drinnen gesagt habe, war nur wegen Cecily. Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Dinge für Max schlecht stehen. Verdammt schlecht.« Er seufzte. »Er hat uns vor ein paar Wochen besucht, kurz nachdem Sie beide aus Kanada zurückgekehrt sind. Er hat verkündet, dass er verliebt sei, und ich habe ihm geglaubt. Ich habe ihn bestimmt noch nie so... ergriffen erlebt. Er wollte das Mädchen heiraten und hoffte, sie uns bald vorstellen zu können. Er hat natürlich nichts von den Einwänden ihres Vaters erwähnt oder uns etwas von Ausreißen geflüstert. Aber er war bis über beide Ohren verliebt, das war klar. Ich dachte unwillkürlich, dass er fast wie besessen war.«
»Liebe ist eine Art von Besessenheit, Sir.«
»Ja. Und die kann einen Mann zum Mörder machen, nicht wahr? Glauben Sie, dass sie Max zu diesem Mord getrieben hat?«
»Nein. Das heißt...« Wir blieben vor einem dichten Dahlienbusch stehen. »Ich hoffe nicht.«
»Ich ebenfalls.« Wingate umklammerte seinen Spazierstock fester. Plötzlich hob er ihn hoch, holte aus und köpfte mit einem Hieb eine Dahlie, deren spitze, gelbe Blütenblätter sich zu unseren Füßen verstreuten. »Ich fürchte nur, dass unsere Hoffnungen vergeblich sein könnten.«
Je länger Max auf der Flucht war, desto mehr bekräftigte er seine Schuld -jedenfalls vor der Polizei, der Presse, selbst vor seiner Familie und seinen Freunden. Nach dem Gespräch mit seinem Vater hatte ich es kaum erwarten können, nach London aufzubrechen. Max versteckte sich dort, das spürte ich. Auf dem Weg zurück nach Letchworth kreuzten wir die Bahnlinie Birmingham-London bei Banbury. Ich bat Maggie, mich dort am Bahnhof abzusetzen. Zögernd gab sie nach und warf mir vor, dass ich nur eine Entschuldigung suchte, um unserem Vater aus dem Weg zu gehen. Aber diesmal hatte sie mich falsch eingeschätzt. Ich dachte wirklich an Max.
Ihn zu finden war jedoch eine ganz andere Sache. Genaugenommen konnte ich diesbezüglich nichts anderes machen, als in die kalte und leere Wohnung nach Hay Hill zurückzugehen. Während die Stunden langsam verstrichen, wartete ich darauf, dass das Telefon klingelte oder sich der Schlüssel im Schloss drehte. Aber keines von beiden passierte. Es war die zweite Nacht nach Charnwoods Ermordung. Und Max ließ sich immer noch nicht blicken.
Ich hatte selten Gelegenheit, Politikern dankbar zu sein, aber der Morgen des 24. August, ein Montag, war eine Ausnahme. Es lag eine Krise in der Luft, und das halbe Kabinett drohte mit Rücktritt, wenn der Premierminister darauf bestand, die Arbeitslosenhilfe zu kürzen. Die natürlich sehr gut bezahlten Redakteure der Fleet Street hielten diese Maßnahme für notwendig, um das Vertrauen in das britische Pfund wiederherzustellen. Eine Konsequenz davon war, dass man nur wenig über Kriminalität berichtete, selbst wenn es sich um den Mord an einem prominenten Geschäftsmann handelte. Man hätte glauben können, dass einigen, vielleicht sogar vielen Charnwoods Tod nicht so wichtig war.
Ich versuchte gerade, bei einem spärlichen Frühstück schwachen Trost aus solchen Gedanken zu schöpfen, als die Post kam. Das war ungewöhnlich, da wir üblicherweise keinerlei Post erhielten. Eine Sekunde fragte ich mich, ob es vielleicht ein Brief von Max sein könnte. Als ich zur Tür herunterlief, fand ich jedoch einen nicht sehr vielversprechenden braunen Umschlag mit meinem Namen auf der Matte liegen. Ich öffnete ihn noch auf der Treppe.
Als ich den Brief herauszog, flatterte ein Blatt Papier zu Boden. Ich blieb stehen und hob es von der Stufe auf. Es war Charnwoods Scheck über 1000 Pfund. Verwirrt schaute ich auf den Brief. Er war von meiner Bank, die schrieb, dass die Auszahlung des Schecks verweigert worden sei. Der Scheck war aber korrekt datiert und unterschrieben und auf ein Konto bei einem der angesehensten Institute der Lombard Street ausgestellt. Und doch war es eine Tatsache, dass er geplatzt war. Zuerst konnte ich es kaum glauben. Es war fast lächerlich. Faule Schecks waren mein Metier, nicht das von Fabian Charnwood. Was konnte das bedeuten?
Ich ging ins Wohnzimmer, schenkte mir noch einen Kaffee ein und zündete mir eine Zigarette an. Aber ich wurde weder aus dem dürren Brief noch aus dem Papier schlau, einem der letzten, die Charnwood unterschrieben haben dürfte. War das vielleicht ein mieser Trick?
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