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Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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ihnen zu, wie sie über den offenbar bevorstehenden Zusammenbruch der Regierung debattierten. Dann ging ich bis zur Blackfriars Bridge und trottete langsam über das Embankment wieder zurück.
    Ich kam an Whitehall vorbei, wo die Menschenmenge rund um Downing Street sofort sichtbar wurde. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, blieb ich stehen, um herauszufinden, was sie anzog. Ein mürrisch aussehender Bursche in einem abgetragenen Trenchcoat und einer flachen Mütze schaute sich nach mir um, als ich mich der Menschenmenge anschloss. »Auch gekommen, um sich den Spaß anzusehen?«
    »Gibt es denn welchen?«
    »Kommt drauf an, was Ihnen gefällt. Den Anblick unserer Herren und Meister, die bei Nummer zehn wie die Karnickel in ihren Bau rein- und raus rennen, finden einige Leute ganz lustig.«
    »Sie wohl nicht?«
    »Warum sollte ich? Wenn ich 'nen Job hätte, würd' ich hier nich rumstehn, oder?« Ein Schrei ertönte, als die berühmte Tür geöffnet wurde und eine stämmige Gestalt mit einem Bowlerhut heraustrat. Es war Stanley Baldwin, der stellvertretende Premierminister. »Und es sind so Typen wie der, die uns unsere Arbeit weggenommen haben. Also erwarten Sie nicht von mir, dass ich in Jubel ausbreche.«
    Baldwin ging mitten über die Straße in Richtung Whitehall, seinen Schirm wie eine Waffe im Arm, als würde er wie ein Gutsherr über seinen Besitz patrouillieren. Ein Wagen stand für ihn bereit, und ein Bediensteter öffnete ihm eilig die Tür. »Sieht so aus, als hätte er gewonnen, was?« sagte mein neuer Kumpel. »Genau das, was uns gefehlt hat.«
    Als Baldwin sich bückte, um in den Wagen zu steigen, glitt mein Blick ziellos über die Menschenmenge hinter ihm. Und da, fast unmittelbar mir gegenüber, stand Max. Er trug den dunkelgrauen Anzug, der in der Wohnung gefehlt hatte, aber der schwarze Filzhut sah neu aus und war tief in seine Stirn gezogen. Er musste mich schon einige Zeit beobachtet haben, denn unsere Blicke trafen sich sofort. Dann warf er seine Zigarette weg, wandte sich ab und bahnte sich mit den Ellbogen einen Weg durch die Zuschauer, um auf den Bürgersteig zu gelangen.
    »Max!« rief ich, aber er achtete nicht auf mich. Ich wollte gerade hinter ihm hergeben, als ein baumlanger Polizist sich mir in den Weg stellte und mich am Arm zurückhielt.
    »Ich glaube nicht, dass Mr. Baldwin mit Ihnen sprechen möchte, Sir.«
    »Sie verstehen nicht. Ich wollte nur...«
    »Haben Sie getrunken?«
    Baldwins Wagen fuhr weg, zum Trafalgar Square. Hinter ihm lief eine graugekleidete Gestalt rasch in dieselbe Richtung. »Lassen Sie mich los!« protestierte ich.
    Aber der Polizist verstärkte seinen Griff. »Nicht, bis ich davon überzeugt bin, dass Sie vernünftig sind, Sir. Warum gehen Sie nicht nach Hause und schlafen Ihren Rausch aus?«
    »Ich bin nicht betrunken.«
    »Ich glaube, Sie sind betrunken, Sir. Und wenn Sie nicht wollen, dass ich zu der Meinung gelange, Sie seien auch aufrührerisch, empfehle ich Ihnen stark...«
    »Schon gut, schon gut.« Max war jetzt außer Sicht. Wenn er erst den Trafalgar Square erreicht haben würde, waren meine Chancen, ihn zu entdecken, gleich Null. Von da aus konnte er in mindestens ein halbes Dutzend Richtungen gehen. Ich schüttelte die Hand des Polizisten ab und versuchte mich zusammenzunehmen. »Tut mir leid, Constable. Wollte keine Schwierigkeiten machen. Ich werde nach Hause gehen, wie Sie vorgeschlagen haben.«
    Aber ich ging nicht nach Hause, und zwar deswegen nicht, weil ich kein Zuhause mehr hatte. Stattdessen ging ich nach Whitehall, während ich über Max' immer geheimnisvolleres Benehmen nachdachte. Warum lief er vor mir weg? Er konnte ja wohl kaum annehmen, dass ich ihn der Polizei ausliefern würde. Wenn er meine Loyalität anzweifelte - aus welchem Grund auch immer -, warum war er mir dann gefolgt? Dass er zufällig in der Downing Street gewesen war, konnte ich nicht glauben - er musste mir also bis hierher gefolgt sein. Kein Flüchtiger würde seine Deckung verlassen, um die Balance der politischen Macht zu überprüfen.
    Am Trafalgar Square setzte ich mich auf eine Bank und rauchte langsam die letzten Zigaretten in meiner Schachtel, während der Verkehr erbarmungslos um mich herum toste, die Tauben landeten, hochflatterten und wieder landeten. Folgte mir Max? Wenn ja, warum? Und was konnte er aus meinem Besuch in der City geschlossen haben? Ich dankte Gott, dass ich schlau genug gewesen war, nicht zu Charnwood Investments zu gehen... Aber meine

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