Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
herzustellen. Wahrscheinlich würde er in ein paar Tagen wieder eine SMS erhalten in der Art: Heute Zeit und Lust? A.
Einmal mehr fragte sich Angermüller, ob er eigentlich diese Art von Verhältnis wollte. Anita war eine kluge und schöne junge Frau und natürlich tat es seinem Ego gut zu wissen, dass auch sie ihn attraktiv fand, sich gern mit ihm traf und ihn in ihr Schlafzimmer einlud. Andererseits hätte ihm ein wenig mehr Romantik in ihren Begegnungen besser gefallen. Er war nun mal ein gefühlvoller Mensch, ein zuverlässiger, beständiger Typ, und diese Unverbindlichkeit war nicht sein Ding. Anita hatte bisher ein ziemlich unstetes Leben geführt, ein aufregendes Leben mit Aufenthalten in unterschiedlichen Städten und Ländern, im Vergleich zu seinem von Regelmäßigkeit geprägten Dasein. Acht Jahre Altersunterschied lagen zwischen ihnen. Aber das war es nicht, dachte er, bei ihm war das keine Frage des Alters, er war schon immer so gewesen. Gut, es hatte sich jetzt ein gewisser Bruch in seinem Leben eingestellt. Aber nicht, weil er nicht zufrieden gewesen wäre. Menschen veränderten sich im Lauf der Zeit, mal aufeinander zu, mal voneinander weg, und in seinem Fall war eben Letzteres eingetreten.
Das Nachdenken über sich und Anita, über Astrid, über seine Vorstellungen von einer idealen Beziehung, ließen ihn mit nicht allzu großer Aufmerksamkeit dem Geschehen im Sektionssaal folgen. Doch diese Veranstaltung zählte für ihn ohnehin nicht zu den bevorzugten Seiten seines Berufes. Zum Glück war die Herausforderung heute einigermaßen erträglich, was das Aussehen des Leichnams und die Gerüche im Raum betraf. Die Rechtsmediziner benötigten keine zwei Stunden für ihre Arbeit, was aus Angermüllers Erfahrung für das unangenehme Schauspiel recht kurz war. Zum Abschluss stellte Steffen zufrieden das eindeutige Ergebnis ihrer Untersuchung vor.
Dem Opfer war mittels des Stopfrohrs gewaltsam das pastöse Lebensmittel eingeführt worden. Ein geringer Teil der Leberpastete war im Magen nachzuweisen, einige kleinere Bröckchen hatten sich in der Lunge verteilt und ein besonders großes Stück hatte sich in der Luftröhre festgesetzt. Verletzungen im Rachenraum, einschließlich des Kehlkopfes, wiesen darauf hin, dass das gefesselte Opfer sich gegen die erzwungene Fütterung wohl hatte wehren wollen, indem es den Kopf wegzudrehen versuchte. Der Täter aber hatte das metallene Rohr mit großer Gewalt in den Hals des Mannes gedrückt und so verhindert, dass dieser den feststeckenden Brocken schlucken oder aushusten konnte, sodass der Tod schließlich durch Ersticken eingetreten war. Den Todeszeitpunkt gab der Rechtsmediziner für den Zeitraum zwischen 22 Uhr und Mitternacht an.
Gerade waren Jansen und Angermüller auf dem Weg zum Ausgang, da meldete sich Thomas Niemann übers Handy.
»Wo seid ihr?«
»Kommen grade von der Obduktion.«
»Richtig vergnügungssüchtig, was? Ich hab was Besseres. Vielleicht wollt ihr da gleich mal vorbei?«
Der Kollege gab Angermüller die Adresse einer Feinkostmanufaktur durch, irgendwo auf dem Land kurz hinter der Landesgrenze in Mecklenburg, deren Produkte die Kriminaltechnik bei ihrem zweiten Besuch in Hagebuschs Wohnung gerade sichergestellt hatte.
»Sonst haben sie weder in der Küche noch in den anderen Räumen etwas gefunden, das irgendwelchen schon vorhandenen Personenspuren zuzuordnen wäre. Aber Ameise meinte, dass der Metallring an der Verpackung von diesen Feinkostartikeln mit einem gestern am Tatort gefundenen identisch ist. Und die Leberpastete ist seiner Meinung nach exakt die von den Tätern verwendete. Sie heißt Gänseleber getrüffelt – Gourmet de Luxe. Das ist doch wie für dich gemacht, Angermüller! Gourmet!«, betonte Niemann mit nicht zu überhörender Häme in der Stimme.
»Nur weil Gourmet drauf steht, ist noch lange nicht Gourmet drin«, erwiderte der Kriminalhauptkommissar abgeklärt.
»Na egal. Es wär jedenfalls nicht falsch, in der Firma einmal vorbeizuschauen.«
»Ja, danke für den Hinweis, Thomas«, beschied Angermüller den Kollegen. »Machen wir im Anschluss, wenn wir uns um die Tierfreunde gekümmert haben. Regelst du das und meldest den Besuch in ihrem Revier schon mal bei den Kollegen in Meckpomm an?«
»Wird gemacht.«
Der Kommissar hatte eigentlich gehofft, der zweite Einsatz von Ameise und Grempel vor Ort würde einige neue Erkenntnisse mehr bringen. Als er mit Jansen ins Freie trat, stand Staatsanwalt Lüthge mit
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