Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
weiß, was Victor mit dem Video anstellen würde, dachte ich! Vor allem, weil doch die Namen meiner Freunde da drin genannt werden und unsere Stimmen zu hören sind. Schließlich waren wir in den Stall eingebrochen und haben einigen Schaden verursacht. Ich hatte natürlich eine Riesenangst, weil es allein meine Schuld war, wenn wir jetzt Ärger mit den Bullen, also ich meine, mit der Polizei kriegen würden.«
»Ja, ja, immer die blöden Bullen. Und da wollten Sie sich das Video natürlich sofort von Hagebusch zurückholen«, stellte Jansen hämisch fest.
»Ja, hätt ich gern«, gab Lina Stucki aufgebracht zurück und warf dem Kommissar einen verärgerten Blick zu. Endlich ließ sie ihre Haarsträhne los.
»Aber die anderen sollten davon ja nichts wissen, und am Montagabend hatte mich Kai in seinem Auto nach Lübeck mitgenommen, also konnte ich da nicht mehr zu Victor.«
»Und Ihren Kumpels ham Sie also überhaupt nichts von Ihrem Deal mit Hagebusch erzählt? Obwohl Sie so ne Angst hatten, dass der dem Bauern wat steckt oder zur Polizei geht?«
Jansen schien Lina Stuckis Version nicht glauben zu wollen.
»Vielleicht waren Ihre Tierfreunde ja bei Hagebusch und wollten ihm den Stick wieder abnehmen.«
»Das ist doch Quatsch!«, wehrte sich die junge Frau. »Meine Freunde haben doch bis heute gar keine Ahnung, dass er das Video hatte. Und dann hätte ich ja nicht am nächsten Abend noch versucht, Victor zu besuchen, oder? Das ist die Wahrheit!«
»Beruhigen Sie sich, Frau Stucki. Erzählen Sie bitte weiter«, verlangte Angermüller in sachlichem Ton. »Wann haben Sie dann versucht, Hagebusch zu treffen?«
»Das wissen Sie doch schon.«
»Würden Sie es bitte trotzdem noch einmal schildern.«
»Den ganzen nächsten Tag über hab ich versucht, Victor telefonisch zu erreichen. Aber sein Handy war wohl abgeschaltet. Und da bin ich am Dienstagabend wieder nach Lübeck gefahren. Allein. Und das Weitere kennen Sie ja: Victor war nicht da, oder …«, sie stockte einen Moment. »An der Wohnungstür klebte dieses komische Siegel. Jedenfalls habe ich ihm nur eine Nachricht in den Briefkasten gesteckt. Und danach hab ich erst von meinem Bruder erfahren, dass Victor tot ist.«
Angermüller nickte.
»Und Ihr Bruder? Was hat der mit den Tierfreunden zu tun?«
»Wenn Sie damit meine Freunde meinen: Gar nichts. Lorenzo lebt ja schon lange in Italien und kommt nur ab und zu mal zu Besuch hierher. So weit ich weiß, hat er früher manchmal mit seiner WG bei Aktionen mitgemacht, aber in irgendeiner Gruppe ist er nicht, nie gewesen.«
»Sind Sie und Ihre Freunde öfter auf diesem Geflügelhof gewesen?«
»Nein. Ich war nur das eine Mal da. Ich muss das auch nicht noch mal haben, ehrlich gesagt. So was Schlimmes, wie da in dieser Halle, hatte ich noch nie vorher erlebt.«
Allein der Gedanke daran ließ sie offenbar schaudern.
»Und Ihre Freunde?«
Die junge Frau lehnte sich zurück und schlang die Arme um ihre Schultern, wie um sich zu wärmen. Es war ihr anzusehen, wie sehr ihr die Frage widerstrebte.
»Die wollten Dienstagabend noch einmal dorthin.«
»Mmh«, machte Angermüller und schaute Lina Stucki nachdenklich an. Dienstag? War das jetzt wieder nur Zufall? Schon die ganze Zeit merkte er, dass sich etwas an der Perspektive verschob.
»Sagen Sie, dieser Geflügelhof, wo genau liegt der noch mal?«, hakte er nach. »Hat der einen Namen oder wissen Sie, wem er gehört?«
Sie nannte den Namen eines kleinen Dorfes in der Nähe vom Ratzeburger See.
»Und der Hof liegt vielleicht einen halben Kilometer weg davon. Der Besitzer heißt Oswald. Oswalds Qualitätsputen steht da auf so einem Schild am Zaun.«
Die Blicke der Kommissare kreuzten sich für einen kurzen Moment. Auch für Jansen schien die Auskunft der Zeugin eher eine Bestätigung als eine Überraschung zu sein.
»Hatten Sie Hagebusch eigentlich erzählt, auf welchem Hof Sie das Video gedreht haben?«, wollte Angermüller wissen.
»Ich denke schon, aber genau weiß ich das nicht mehr.«
»Haben Sie sich das Video zusammen mit Hagebusch angesehen? Hat er was dazu gesagt? Kannte er den Geflügelhof?«
»Ja, wir haben es zusammen angeschaut, aber ob er den Geflügelhof schon kannte, keine Ahnung. Victor sagte nur, die Aufnahmen wären gut gemacht und sehr aussagekräftig. Er wollte vielleicht sogar versuchen, das Ganze ins Fernsehen zu bringen. Er meinte nur noch, es wäre wichtig, dass wir das Firmenschild auch drin haben. Das hatten wir natürlich auch
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