Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
Mittag.«
Sie nestelte an ihrer Schürze, als ob sie diese für den unerwarteten Besuch ablegen wollte.
»Sehn Sie, da kommt er ja schon!«
Mit energischen Schritten kam ein Mann in Gummistiefeln und einem grünen Overall über den Hof gestapft.
»Moin«, sagte er nicht gerade erfreut. »Was gibt’s denn? Ham Sie etwa die Kerle erwischt?«
»Guten Tag, Herr Oswald. Wir müssten Sie mal sprechen. Wir haben hier nämlich was Interessantes, das wir Ihnen zeigen wollen.«
Angermüller deutete auf den Laptop, den Jansen unterm Arm hatte.
»Gehn Sie schon mal vor. Viel Zeit hab ich nich. Aber ich komm gleich.«
Oswald zog sich im Windfang vor der Haustür die Gummistiefel aus. In dem teils aus Glasbausteinen gemauerten Eingang standen eine Reihe schmutziger Arbeitsschuhe und Gummistiefel, und an den Haken darüber hingen Regenjacken und Overalls.
»Das sieht wieder aus hier! Ich bin die Woche noch gar nicht zum Aufräumen gekommen«, entschuldigte sich Frau Oswald. »Kommen Sie doch bitte in die Stube!«
Sie strich sich eine Strähne ihres rotbraun gefärbten Haares aus dem Gesicht. Am Ansatz der praktisch kurz und gerade geschnittenen Frisur schimmerte es grau hervor. Die Frau führte sie durch den Flur, wo Angermüller auf einem Schränkchen die Lübecker Zeitung liegen sah. ›Journalist Victor Hagebusch tot – Mitarbeiter der Lübecker Zeitung wurde ermordet‹, prangte die Überschrift über Hagebuschs Porträtfoto auf der Titelseite.
Gardinen mit akkuratem Faltenwurf hinderten das Licht, das geräumige Wohnzimmer wirklich zu erhellen. Den altrosa Teppichboden, der die Farbe der sorgsam drapierten Übervorhänge aufnahm, bedeckten zusätzlich Teppiche mit Orientmustern, und ziemlich viele Möbelstücke, auf alt getrimmt und mit auffallenden Messingbeschlägen versehen, standen drum herum. Eine wuchtige Ledergarnitur befand sich gegenüber von einem großen Fernseher. In den Glasschränken und auf dem Sofa war eine Sammlung von Puppen in festlichen Kleidchen arrangiert, blühende Orchideen schmückten die Fensterbänke, und Sträuße und Sträußchen aus Kunstblumen waren allenthalben verteilt. Eine offen stehende Schiebetür gab den Blick in einen weiteren Raum frei, der in ähnlichem Stil eingerichtet wohl als Esszimmer diente.
»Vielleicht können wir uns dort an den Tisch setzen?«, fragte Angermüller.
»Bitte, gern. Wir essen sowieso in der Küche.«
Die Kommissare nahmen Platz. Jansen fuhr den Laptop hoch und holte den Stick aus der Tasche. In der gleichen blauen Arbeitshose und seinem dicken Troyer, wie am Mittwoch bei der Feinkostmanufaktur Landglück, erschien Oswald jetzt in Hausschuhen an der Tür. Er wirkte irgendwie unentschlossen.
»Ja, Herr Oswald, dann kommen Sie doch mal«, forderte Angermüller den Bauern auf. »Und wir müssten bitte mit Ihrem Mann allein sprechen, Frau Oswald«, wandte er sich an die Frau, die abwartend neben dem Tisch stehen geblieben war.
»Ja, ja, kein Problem! Ich muss mich ja sowieso noch um mein Mittag kümmern«, sagte sie schnell und ging zur Tür. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie wohl lieber dabeigeblieben wäre.
Zwar war dies sein Zuhause, trotzdem wirkte Oswald irgendwie eingeschüchtert. Vorsichtig setzte sich der große, kräftige Mann mit dem rotblonden Schopf auf einen der Stühle. Die Umgebung voller Rüschen, Blümchen und Messing wollte einfach nicht zu ihm passen.
»Mit wie vielen Leuten führen Sie eigentlich Ihren Betrieb hier?«, fragte Angermüller erst einmal, um die Situation zu entspannen, während Jansen das Diktiergerät auspackte.
»Dat is eigentlich fast nur Familie, meine Frau und unser Ältester, und ab und zu mal eine Aushilfe. Der jüngere Sohn geht noch zur Schule.«
»Und wie läuft es so bei Ihnen?«
»Schlecht. Die Verarbeitungsbetriebe wollen immer weniger für unsere Tiere bezahlen, weil alles immer billiger werden muss. Schon lange wollten wir eine eigene Schlachtanlage haben, aber für die Investition langt dat nich. Und dann noch die Tierschützer, die ganzen Schauergeschichten im Fernsehen. Nee, dat mokt keen Spaß mehr.«
Der Bauer schüttelte resigniert den Kopf.
»Ja, Herr Oswald. Wir hatten Ihnen ja gesagt, wir melden uns, wenn wir bei unseren Ermittlungen auf Hinweise zu den Einbrüchen bei Ihnen stoßen. Und genau deshalb sind wir heute hier. Mein Kollege zeichnet unser Gespräch auf«, Angermüller zeigte auf den kleinen Recorder. »Dann wollen wir uns jetzt erstmal was zusammen anschauen, ja?«
Der
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