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Geschmiedet in Feuer und Magie - Fox, D: Geschmiedet in Feuer und Magie - Dragon in Chains

Titel: Geschmiedet in Feuer und Magie - Fox, D: Geschmiedet in Feuer und Magie - Dragon in Chains Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Fox
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sein, nie hier gewesen sein, nie die Berge verlassen haben.
    Er hob das feine, durchscheinende Porzellan an die Lippen und wusste kaum, was es war. Er wollte es vorsichtig in die Finger nehmen und es nur ansehen. Einmal um der Sache selbst willen, ihrer Zerbrechlichkeit und Schönheit wegen; dann aber auch, um sich davon abzuhalten, den Stein anzustarren – oder den Mann. Guangli, der Herr über den Stein, würde vielleicht auch
sein Herr werden. Die Tasse war allerdings randvoll mit kochend heißem Tee. Den musste er erst trinken. Wenn er ihn schlucken konnte. Davon war er nicht überzeugt. Es war im Augenblick schon schwer genug, gegen die ganze Anspannung in seinem Brustkorb anzuatmen.
    Zuerst nahm er das Aroma des Tees wahr. Er konnte einfach hier sitzen und daran riechen. Auch das war zerbrechlich und schön, blumig und zart und unerwartet erfrischend. Als er am Ende einen Schluck nahm, ergossen sich Licht, Hitze und Wasser in seinen Mund, die ganze Geschichte vom Hervordringen aus der Erde über Wurzel und Zweig bis zur Blattknospe.
    Er hörte: »Mach dich nicht lustig über ihn, er ist ein Junge aus den Bergen! So etwas ist ihm zuvor noch nie begegnet. So etwas wie du.«
    Er hörte: »Ich mache mich nicht über ihn lustig. Überhaupt nicht. Erzähl mir von ihm.«
    Er hörte: »Ich dachte, der Stein würde dich interessieren. Du hast ihn dir noch nicht einmal angesehen. Verdammt, er könnte dir die Freiheit bringen, und du siehst ihn noch nicht einmal an …«
     
    Und so begann das Schachern. Yu Shan versuchte, in seinem Tee zu versinken, in diesem sich entfaltenden Geschmack, der wie eine Landschaft war: Vordergrund, Hintergrund und Andeutungen von etwas Fernem weit außer Reichweite. Er hatte Welten im Mund, ungesehene Welten und unausgesprochene Wahrheiten.
    Und konnte immer noch nicht ausblenden, was Jiao sagte, weil sie über ihn und das, was ihn betraf, sprach:
wie sie ihm den Stein und ihn seiner Familie gestohlen hatte, mit jedem Wort ein wenig mehr. Sie log nie ganz, erzählte aber auch keine Geschichte, die er wiedererkannte.
    So, wie sie über ihn sprach, erkannte er noch nicht einmal sich selbst wieder.
    Fleißig, nannte sie ihn, obwohl sie das beim besten Willen nicht wissen konnte, und aufgeweckt, was offensichtlich nicht stimmte, denn sonst hätte sie ihn wohl kaum in der Nacht, in der er geflohen war, wieder eingefangen. Langsam und dumm, wie ein Ochse, sagte sie nicht, aber so fühlte er sich, da er ohne Widerrede – ohne ein Wort! – zuließ, dass sie ihn verkaufte.
    Ohne ein Wort, bis sie über den Stein sprach; da hob er abrupt den Kopf und sagte: »Nein.«
    Sie wandte sich um, sie starrte ihn an, sie sah ihn böse an; Guangli war es, der fragte: »Nein?«
    »Sie weiß nichts. Sie hat ihn noch nicht einmal gesehen. Ihr wisst mehr darüber als sie.«
    »Vielleicht – aber du weißt mehr als ich. Warum erzählst du’s mir nicht?«
    Er stellte seine Tasse ab – winzig, das hatte er gedacht, aber der Tee war so gewaltig – und ging um den Teich herum, weil es mit dem Sprechen über Jade war wie mit dem Sprechen über Feuer oder über den Wald bei Nacht oder über die Geheimnisse seiner Clancousine. Das Reden versagte jedes Mal.
    Berührungen hingegen: Berührungen brachten einem alle Dinge näher, machten sie wirklicher.
    Er redete wider Willen – darüber, wie sie den Stein gefunden
hatten, den letzten, den eine ausgebeutete Ader ausgespien hatte; wie er vom ersten Augenblick an so offensichtlich wunderbar gewesen war, beim ersten Glitzern durch den umgebenden Fels hindurch -, aber größtenteils arbeitete er, band das Geschirr los, streifte die Stricke und den Bambusrahmen ab.
    Er redete ohne Zweck, denn der Stein war der Zweck, und er war genau hier, im Licht, als er die letzte Umhüllung abhob. Er schwieg, hockte sich auf die Fersen und ließ sie hinsehen.
    Der Stein stand im Hof, im Sonnenschein wie etwas, das aus seinem angestammten Gebiet gerissen worden war – und das war er ja auch. Wie etwas, das zu schön war, um zwischen diesen eintönigen Mauern, in diesem Verzeihung heischenden Garten eingeschlossen zu sein – und das war er ja auch. Wie etwas, das lebendiger als irgendeiner von denen war, die ihn ansahen – und vielleicht war er auch das.
    Wie der Tee, wie das Land hatte er Lagen, Variationen, viele Stimmen, um ein einziges, wahres Lied zu singen. Das größte Stück, das Herz des Steins, war tief dunkelgrün. Das war die häufigste Farbe solcher Steine: jadegrün.

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