Geschöpfe Der Ewigkeit
Teil von etwas sehr Großem, Bedeutungsvollen. In diesem Moment begreife ich, daß Alanda ein Geschöpf von großer spiritueller Kraft ist, ein Geschöpf, das mich mehr liebt als ich mich selbst.
Die Matrix entgleitet meiner Hand und landet auf dem Boden. Eine Träne rollt über meine Wange und tropft in den Sand. Ich weiß nicht, warum ich weine, vielleicht nur, weil ich so glücklich bin. Alanda ist tatsächlich eine alte Freundin.
Trotzdem erinnere ich mich nicht an sie. Genausowenig wie ich mich daran erinnern kann, daß Landulf mein Blut gestohlen hat.
»Ich verstehe nicht«, flüstere ich.
Sie kommt zu mir, nimmt mich in den Arm, streicht über mein Gesicht.
»Sita«, sagt sie wieder und immer wieder. »Sita.«
Aber ich bin alles andere als ein unschuldiges Kind – ich bin ein Monster. Es reicht nicht aus, mich zu trösten, es reicht nicht aus, mir über die Wange zu streichen, und alles ist wieder gut. Mit einer raschen Bewegung schiebe ich sie von mir und wende mich ab, drehe ihr den Rücken zu. Wenn sie will, kann sie jetzt die Matrix aufheben und mich verschwinden lassen, endgültig. Aber ich weiß, daß das nicht ihre Absicht ist. Sie läßt mich stehen, allein, schweigend.
Sie hat keine Eile. Sie hat lange auf diese Begegnung gewartet, und ich spüre, daß es bei mir nicht anders ist. Doch irgendwie fühle ich mich durch sie bloß-
gestellt – eine Empfindung, die mir bisher fremd war. Ich habe mein Schicksal stets selbst in die Hand genommen, und plötzlich taucht dieses engelsgleiche Wesen auf und erklärt mir, daß ich mich selbst getäuscht habe. Ja, sie erscheint mir wirklich wie ein Engel, ein Wesen aus Licht aus einer fernen Welt, die ich mir kaum vorzustellen vermag.
»Du brauchst sie dir nicht vorzustellen«, erklärt sie ruhig, und es ist ganz natürlich, daß sie mich jetzt duzt. »Diese Welt ist genauso deine wie meine.«
Ich atme hastig ein. »Du kannst Gedanken lesen?«
»Ja. Genauso wie du.«
»Nein. Ich weiß nicht, was in deinem Kopf vorgeht.«
»Du weißt es. Du hast nur Angst davor, Sita.«
»Woher kennst du meinen Namen?«
»Ich kenne dich.«
»Aber woher?«
»Aus alter Zeit. Von den Sternen.«
Ohne daß ich es will, gleitet ein Lächeln über mein Gesicht. Ich wende mich zu ihr um und frage sie fast ein wenig spöttisch: »Und wo ist dein Raumschiff?«
»Es ist auf dem Weg hierher.«
Diese Antwort läßt mich zurückschrecken.
»Bist du gekommen, um mich mitzunehmen?« frage ich und bemerke, daß meine Stimme hoffnungsvoll klingt. Fünftausend Jahre lang habe ich ein wundervolles Leben geführt, doch ich habe auch Schmerzen erlitten. Jetzt spüre ich Alandas Liebe. Die Wüste ist trocken, ihre Augen schimmern feucht. Ich kann nicht anders als mich durch sie verzaubern lassen. Jetzt ist sie von einem sanften blauen Licht umgeben, das wie eine Art Heiligenschein wirkt.
Das blaue Licht, das ich von Krishna kenne.
Die Sterne. Sie leuchten hell über uns.
Fast scheint es, als würden sie sich der Erde nähern.
Doch Alandas Gesicht drückt nicht nur Glück, sondern auch Sorge aus.
»Nein«, entgegnet sie. »Du kannst diese Welt jetzt nicht verlassen. Zuerst mußt du in Ordnung bringen, was in Unordnung ist.«
»Das hat Suzama auch gesagt. Kennst du sie?«
»Ja. Sie ist eine Schwester, genau wie du.«
»Suzama ist mehr als ich, sie ist unvergleichlich.«
»Es macht dir Spaß, dich zu erniedrigen.«
»Ich habe mein Leben nicht gerade wie eine Heilige gelebt. Das müßtest du eigentlich wissen.«
»Ja. Aber das gehört der Vergangenheit an. Jetzt bist du hier bei mir, und ich bin bei dir.«
Meine Kehle wird eng. »Du empfindest mit mir, das stimmt.«
»Warum hast du Angst vor der Liebe, Sita? Hat sie dich so sehr verletzt?«
Ich nicke schwach. »Sie verletzt uns alle. Manchmal scheint mir, daß sie nur diesen einen Zweck hat.«
Alanda schüttelt den Kopf. »Liebe ist aus vielerlei Gründen wichtig. Mir scheint, das hast du vergessen. Du mußt diesen Schleier erneut lüften.«
Diese Bemerkung weckt meine Neugier. »Woraus besteht der Schleier?«
Alanda wendet sich ab und wandert ein paar Schritte durch den Sand.
Sie ist barfuß, das bemerke ich erst jetzt. Die Art, wie ihre Füße die Erde berühren, erscheint mir fast wie eine Liebkosung. Mit einer alles umfassenden Bewegung, die mich verzaubert, weist sie auf die Wüste, die Sterne, und spielt dann mit ihren langen blonden Haaren. Ihre Stimme ist so leise, daß ich sie kaum höre, vielleicht teilt sie
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