Geschöpfe Der Ewigkeit
zur Ruhe zu kommen scheint. Im Augenblick ist sie betrunken, was mich nicht dazu veranlaßt, schlecht über sie zu denken. Ihr Name ist Heidi, und ich weiß, daß sie für Seymour das zweitniedlichste Geschöpf auf der Welt ist. Nachdem er ein Vampir geworden ist, hat er dem Zustand seiner Jungfräulichkeit schon bald ein Ende bereitet. Aber ich habe noch immer nicht mit ihm geschlafen, und vermutlich himmelt er mich genau deswegen immer noch an. Jetzt beugt er sich zu Heidi vor und lächelt charmant.
»Ich bin ein Vampir«, erklärt er. »Ich feiere jede Nacht eine Party.«
Heidi klatscht in die Hände und lacht begeistert über seinen scheinbaren Einfallsreichtum. »Ich liebe Vampire«, entgegnet sie. »Ist deine Schwester auch einer?«
»Nein«, antworte ich an seiner Stelle. »Ich habe einen Job, der mich tagsüber in Anspruch nimmt.«
»Sie arbeitet für das Los Angeles Police Department«, fährt Seymour fort,
»und sie ist ziemlich gut. Letzte Woche hat sie einen Dieb auf frischer Tat ertappt und ihm den hinteren Teil seines Kopfes einfach weggeblasen.«
Heidi runzelt die Stirn, und ihre Unterlippe zuckt. »Trägst du eine Waffe?«
will sie wissen.
Ich nehme einen Schluck von meiner Cola. »Nein. Meine Hände sind meine tödlichen Waffen.« Ich weiß, daß Seymour vorhat, mit diesem Mädchen zu schlafen, und es macht mir nichts aus. Aber ich habe etwas dagegen, daß er seinen besonderen Blick verwendet, um sie ins Bett zu bekommen. Ich habe ihn schon mehrfach davor gewarnt, seinen vampirischen Willen zu benutzen, um menschlichen Willen zu brechen, wenn er Sex will. Für mich ist das nichts anderes als eine besondere Form der Vergewaltigung, und bisher hat sich Seymour an diese meine Regel gehalten. Außerdem habe ich ihm verboten, das Blut seiner Eroberungen zu trinken. Er ist noch nicht erfahren und beherrscht genug, um zu erkennen, wann er aufhören muß, um einen Menschen nicht zu töten. Aus diesem Grund bin ich immer an seiner Seite, wenn er Blut benötigt.
Aber im Gegensatz zu Ray ist Seymour nicht zu zart besaitet, was Blut angeht.
Er ist wirklich der geborene Vampir, so begeistert genießt er sein Dasein.
»Kannst du Karate?« fragt Heidi mich.
»Sie ist eine Kung-Fu-Maschine«, erklärt Seymour.
Ich stehe auf und werfe Seymour einen eindringlichen Blick zu. »Ich gehe hinüber zu dem Burschen am anderen Ende der Bar, um mich ein bißchen mit ihm zu unterhalten. Wir sehen uns dann später. Okay?«
Seymour hat begriffen, daß ich den Mann töten will. Er ist nicht zimperlich, wenn es sich um Blut handelt, aber der Gedanke an Mord beunruhigt ihn. Wir haben bisher keinen der Menschen getötet, von denen er getrunken hat. Jetzt wird er blaß um die Nase und hebt sein Glas.
»Halt mich auf dem laufenden!«
»Viel Glück«, wünscht mir Heidi, als ich an ihr vorbeigehe.
»Danke«, entgegne ich.
Der Knabe an der Theke merkt, daß ich mich ihm nähere, und macht Platz für mich. Während ich auf den Hocker neben ihn gleite, klimpere ich mit den Wimpern und lächle unschuldig. Ich bin genau der Typ, den er bevorzugt.
»Hallo«, sage ich.
»Guten Abend«, antwortet er.
Der Bursche sieht unglaublich gut aus, und er ist ziemlich jung, höchstens zweiundzwanzig. Am Handgelenk trägt er eine Rolex, die seine Tätowierung bedeckt. Seine Haare sind braun und gelockt, und er lächelt verführerisch. »Wie heißt du?« will er von mir wissen.
»Alisa«, sage ich. Ich sehe keinen Grund, besonders vorsichtig zu sein, denn mein Gegenüber wird nicht mehr lange leben. »Und du?«
»Dan. Was möchtest du trinken?«
»Coke. Ich bin gerade auf Diät.«
Er schnaubt. »Was für eine Art von Diät ist das denn?«
Ich lache sanft. »Eine ausschließlich-Zucker-Diät. Bist du öfter hier?«
Er nimmt einen Schluck von seinem Scotch. »Nein. Um ehrlich zu sein, finde ich’s hier stinklangweilig.«
Ich habe schon jetzt keinen Spaß mehr an unserer Unterhaltung. Ich will ihn nur töten – und die Sache damit beenden. Seitdem ich Kalikas seherische Fähigkeiten besitze, bin ich hin und wieder vom Pfad der Tugend abgekommen und habe ein paar üble Zeitgenossen beseitigt. Natürlich habe ich keineswegs vor, das nun zum Mittelpunkt meines Lebens zu machen.
»Möchtest du gehen?« frage ich.
Er tut überrascht. »Wer bist du?« fragt er, wobei seine Stimme nicht einer gewissen Schärfe entbehrt.
Es gelingt mir, seinen Blick zu erhaschen. Mein Blick hat eine ganz besondere Kraft. Ich kann Metall zum Schmelzen
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