Geschöpfe der Nacht
den Kopf scheu zu Boden und sah dann verstohlen zu unserem Gastgeber hoch. Er war der einzige Mensch, dem Orson so gut wie nie in die Augen sah.
Roosevelt nahm einen dritten Hundekuchen aus der Tasche der Windjacke. Er hielt ihn unter seine breite und mehrfach gebrochene Nase und atmete tief und überschwenglich ein, als genieße er das unvergleichliche Aroma des knochenförmigen Leckerbissens.
Orson hob den Kopf und schnüffelte ebenfalls.
Roosevelt lächelte verschlagen, blinzelte dem Hund zu – und steckte den Hundekuchen dann in den Mund. Er zerbiß ihn mit gewaltigem Vergnügen, spülte ihm mit einem Schluck Kaffee hinunter und seufzte zufrieden.
Ich war beeindruckt. So etwas hatte ich noch nie gesehen. »Wie schmeckt so ein Ding?«
»Nicht schlecht. So ähnlich wie Weizenkleie. Willst du auch einen?«
»Nein, Sir. Nein, vielen Dank«, sagte ich und begnügte mich damit, an meinem Kaffee zu nippen.
Orson hatte die Ohren gespitzt; Roosevelt hatte nun seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Falls diesem riesigen, schwarzen Menschen mit der sanften Stimme die Hundekuchen tatsächlich schmeckten, brachen für Hunde, die ganz scharf auf sie waren, schwere Zeiten an.
Roosevelt holte einen weiteren Hundekuchen aus der Jacke über seinem Stuhl. Er hielt sich auch diesen Knochen unter die Nase und atmete so tief ein, daß ich schon befürchtete, an Sauerstoffmangel sterben zu müssen. Ihm fielen genüßlich die Augen zu. Ein Schauder des vorgetäuschten Vergnügens durchlief ihn, schwoll fast zu einer Ohnmacht an, und dann schien ihn ein wahrer Hundekuchenrausch zu überkommen.
Orsons Verlangen war fast körperlich spürbar. Er sprang vom Boden auf den Stuhl mir gegenüber hoch, auf den Roosevelt ihn locken wollte, setzte sich auf die Hinterläufe und reckte den Hals vor, bis seine Schnauze sich nur eine Handbreit von Roosevelts Nase entfernt befand. Gemeinsam schnüffelten sie an dem gefährdeten Hundekuchen.
Statt sich das Ding in den Mund zu stecken, legte Roosevelt es auf den Tisch, neben die beiden anderen, die schon vor Orsons Stuhl lagen. »Braver alter Junge.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich an Roosevelt Frosts angebliche Fähigkeit, mit Tieren kommunizieren zu können, glauben sollte, doch meines Erachtens war er zweifellos ein erstklassiger Hundepsychologe.
Orson schnüffelte an den Hundekuchen auf dem Tisch.
»Na, na, na«, warnte Roosevelt ihn.
Der Hund sah zu seinem Gastgeber hoch.
»Du darfst sie erst fressen, wenn ich es dir erlaube«, sagte Roosevelt zu ihm.
Der Hund leckte sich die Lefzen.
»Glaub mir, Hundchen, wenn du sie ohne meine Erlaubnis frißt«, sagte Roosevelt, »gibt es nie, nie wieder Hundekuchen für dich.«
Orson stieß ein dünnes, bittendes Jaulen aus.
»Ich meine es ernst, Hund«, sagte Roosevelt leise, aber nachdrücklich. »Ich kann dich nicht zwingen, mit mir zu sprechen, wenn du nicht willst. Aber ich kann darauf bestehen, daß du an Bord meines Schiffes ein Minimum an Manieren zeigst. Du kannst nicht einfach hier hereinkommen und wie ein wildes Tier die Kanapees herunterschlingen.«
Orson sah Roosevelt in die Augen, als wollte er abschätzen, ob er sich wirklich an diese Benimmregel halten mußte.
Roosevelt erwiderte seinen Blick, ohne zu blinzeln.
Anscheinend überzeugt, daß es sich nicht um eine leere Drohung handelte, richtete der Hund seine Aufmerksamkeit auf die drei Hundekuchen. Er betrachtete sie mit einer so verzweifelten Sehnsucht, daß ich mit dem Gedanken spielte, doch noch eins dieser verdammten Dinger zu probieren.
»Braver Hund«, sagte Roosevelt.
Er nahm eine Fernbedienung vom Tisch und drückte auf einen der Knöpfe, obwohl seine Fingerspitze zu groß zu sein schien, um weniger als drei Knöpfe gleichzeitig zu berühren.
Hinter Orson schob sich eine von einem kleinen Motor bewegte Rolltür über der oberen Hälfte einer eingebauten Nische hoch, verschwand in einem Schlitz und enthüllte zwei Türmchen dicht zusammengepackter elektronischer Geräte, die vor Leuchtdioden nur so wimmelten.
Orson war immerhin so interessiert, daß er kurz den Kopf drehte, bevor er wieder sehnsüchtig die verbotenen Hundekuchen anstarrte.
In der Nische klickte ein großer Videomonitor und erhellte sich. Der gevierteilte Bildschirm zeigte schmutzig-trübe Ansichten des nebelverhangenen Jachthafens und der Bucht auf allen vier Seiten der Nostromo.
»Was ist das?« fragte ich.
»Ein Alarmsystem.« Roosevelt legte die Fernbedienung wieder auf den Tisch.
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