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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Name am Telefon genannt wurde und der nicht zu Bobbys Haus hatte kommen wollen, um mit mir zu sprechen. Es war eine Zeile aus einem Gedicht von Robert Frost, eine, die ein Lauscher wohl kaum kennen würde, und ich war davon ausgegangen, daß sie sich auf Roosevelt Frost bezog, den Besitzer der Nostromo.
    Als ich mein Fahrrad gegen das Geländer neben der Gangway zu Roosevelts Anlegestelle lehnte, ließ eine Welle die festgemachten Schiffe schlingern. Sie ächzten und stöhnten wie arthritische alte Männer, die im Schlaf schwache Beschwerden murmelten.
    Ich habe mich nie damit aufgehalten, mein Fahrrad anzuketten, wenn ich es unbeaufsichtigt zurückließ, denn bis zu dieser Nacht war Moonlight Bay eine Zuflucht vor dem Verbrechen gewesen, das die moderne Welt heimsuchte. Wenn dieses Wochenende vorüber war, mochte unsere pittoreske Stadt vielleicht bei Morden, Verstümmelungen und Prügel für Priester die pro Kopf höchste Verbrechensrate in den Vereinigten Staaten haben, aber eine dramatische Zunahme von Fahrraddiebstählen war wohl nicht zu befürchten.
    Es herrschte gerade Ebbe, weshalb die Gangway sich steil nach oben neigte. Außerdem war sie schlüpfrig vor Feuchtigkeit. Orson stieg sie genauso vorsichtig hinab wie ich.
    Wir hatten zwei Drittel des Weges zur Backbordseite des Schiffes zurückgelegt, als eine leise Stimme, kaum mehr als ein rauhes Flüstern, das wie durch Zauberei aus dem Nebel unmittelbar oberhalb meines Kopfes zu stammen schien, fragte: »Wer da?«
    Ich war so erschrocken, daß ich fast ausgerutscht wäre, aber es gelang mir, mich am Handlauf der Gangway festzuhalten und auf den Beinen zu bleiben.
    Der Bluewater 563 ist ein schnittiger weißer, tiefliegender Kreuzer mit einem Doppeldeck und einem oberen Ruderhaus, das mit einem Hardtop versehen ist und von Segeltuchwänden umgeben wird. Das einzige Licht an Bord war hinter den verhangenen Fenstern der Achterkabine und der Hauptkabine mittschiffs auf dem unteren Deck auszumachen. Das offene Oberdeck und das Ruderhaus waren dunkel und nebelverhangen. Ich konnte nicht sehen, wer gesprochen hatte.
    »Wer da?« flüsterte der Mann wieder, nicht lauter als zuvor, aber wesentlich eindringlicher.
    Nun erkannte ich die Stimme als die von Roosevelt Frost.
    Ich folgte seinem Beispiel und flüsterte: »Ich bin’s, Chris Snow.«
    »Schirme deine Augen ab, mein Sohn.«
    Ich hielt die Hand über die Augen und blinzelte, als das Licht einer Taschenlampe aufflammte und mich auf der Gangway festnagelte. Sie wurde sofort wieder ausgeschaltet, und Roosevelt sagte, noch immer flüsternd: »Ist das da bei dir dein Hund?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Und sonst nichts?«
    »Wie bitte?«
    »Sonst ist nichts bei dir, niemand?«
    »Nein, Sir.«
    »Dann komm an Bord.«
    Ich konnte ihn nun sehen, denn er war näher an die Reling des offenen Oberdecks getreten und stand achtern vom Ruderhaus. Doch selbst auf diese kurze Entfernung konnte ich ihn nicht richtig erkennen, denn er wurde von der Erbsensuppe des Nebels, der Nacht und seiner eigenen Schwärze eingehüllt.
    Ich schob Orson voran und betrat das Boot durch die Lücke in der Backbordreling. Dann gingen wir schnell die Stiege zum oberen Deck hinauf.
    Als wir oben ankamen, sah ich, daß Roosevelt Frost eine Schrotflinte in der Hand hielt. Demnächst würde die National Rifle Association ihr Hauptquartier wohl nach Moonlight Bay verlegen. Er richtete die Waffe nicht auf mich, aber ich war mir ziemlich sicher, daß er auf mich gezielt hatte, bis er mich schließlich im Strahl der Taschenlampe genau erkannt hatte.
    Selbst ohne die Schrotflinte war er eine furchteinflößende Gestalt. Eins neunzig groß. Ein Hals wie ein Pierpfosten. Die Schultern so breit wie ein Stagsegelausleger. Mächtiger Brustkasten. Wenn er beide Arme spreizte, waren sie breiter als der Durchmesser eines durchschnittlichen Steuerrads. So einen Burschen hätte Ahab hinzuziehen sollen, um Moby Dick zu harpunieren. Er war in den sechziger bis Anfang der siebziger Jahre ein Footballstar gewesen, und die Sportjournalisten hatten ihn üblicherweise als »Vorschlaghammer« bezeichnet. Obwohl er jetzt dreiundsechzig Jahre alt und ein erfolgreicher Geschäftsmann war, dem ein Herrenausstattungsgeschäft gehörte, ein kleines Einkaufszentrum und Anteile am Moonlight Bay Inn and Country Club, schien er durchaus noch fähig zu sein, jeden einzelnen der genetisch mutierten und mit Steroiden vollgepumpten Riesen, die in den derzeitigen Teams die wichtigsten Positionen

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