Geschöpfe der Nacht
Tarnung. Außerdem brauchen Hunde keine Reisepässe. Was für einen besseren Späher gäbe es auf einem Schlachtfeld?«
Vielleicht wollten sie auch einen außergewöhnlich kräftigen Hund schaffen, der nicht nur klug, sondern im Notfall auch überaus brutal war. Dann hätte man eine ganz neue Art von Soldat: eine biologisch entworfene Mordmaschine mit der Fähigkeit zu strategischen Überlegungen.
»Ich dachte, Intelligenz sei von der Gehirngröße abhängig.«
Er zuckte die Achseln. »Ich bin nur ein Cop.«
»Oder von der Anzahl der Windungen in der Gehirnrinde.«
»Offensichtlich haben sie etwas anderes entdeckt. Auf jeden Fall«, sagte Manuel, »konnten sie auf einem früheren Erfolg aufbauen. Das sogenannte Francis-Projekt vor einigen Jahren. Da ging es um einen erstaunlich klugen Golden Retriever. Die Operation in Fort Wyvern wurde lanciert, um von dem zu profitieren, was man damals herausgefunden hat. Aber in Fort Wyvern ging es nicht nur um tierische Intelligenz. Das Projekt hatte unter anderem – unter vielem anderem – auch das Ziel, die menschliche Intelligenz zu vergrößern.«
Im Studio legte Toby, dessen Hände in Kevlarhandschuhen steckten, die heiße Vase in einen Eimer, der zur Hälfte mit Vermiculit gefüllt war. Das war das nächste Stadium des Kühlprozesses.
Ich stand noch immer neben Manuel. »Unter anderem?« sagte ich. »Was noch?«
»Sie wollten die Beweglichkeit des Menschen vergrößern, die Schnelligkeit, die Lebensspanne – indem sie eine Möglichkeit fanden, genetisches Material nicht nur von einer Person auf die andere zu übertragen, sondern von einer Spezies zur anderen.«
Von einer Spezies zur anderen.
Ich hörte, daß ich »Oh, mein Gott!« sagte.
Toby goß von dem körnigen Wurmstein über die Vase, bis sie vollständig davon bedeckt war. Vermiculit ist ein hervorragender Isolator, der es dem Glas ermöglicht, weiterhin sehr langsam und mit gleichbleibender Geschwindigkeit abzukühlen.
Mir fiel etwas ein, das Roosevelt Frost gesagt hatte: Die Hunde, Katzen und Affen seien nicht die einzigen Versuchsobjekte in den Labors von Fort Wyvern, es gebe etwas Schlimmeres.
»Menschen«, sagte ich wie betäubt. »Sie haben mit Menschen experimentiert?«
»Mit Soldaten, die von Militärgerichten des Mordes schuldig gesprochen und zu lebenslangen Haftstrafen in Militärgefängnissen verurteilt wurden. Sie hatten die Wahl, dort zu verrotten… oder an dem Projekt teilzunehmen und als Belohnung vielleicht die Freiheit zu gewinnen.«
»Aber Experimente mit Menschen…«
»Ich bezweifle, daß deine Mutter etwas davon gewußt hat. Sie haben ihr nicht immer mitgeteilt, wie sie ihre Ideen umgesetzt haben.«
Toby mußte unsere Stimmen am Fenster gehört haben, denn er zog die Isolierhandschuhe aus, schob die große Brille hoch und schaute zu uns herüber. Er winkte.
»Alles ist schiefgelaufen«, sagte Manuel. »Ich bin kein Wissenschaftler. Frag mich nicht, wie. Aber es ist nicht nur in einer Hinsicht schiefgegangen, sondern in vielen. Es ist ihnen völlig aus den Händen geglitten. Plötzlich geschahen Dinge, mit denen sie nicht gerechnet hatten. Veränderungen, die sie nicht in Erwägung gezogen hatten. Die Versuchstiere und die Gefangenen… ihre genetische Zusammensetzung unterzog sich ungewollten Veränderungen, die nicht beherrschbar waren…«
Ich wartete einen Moment lang, aber er war offensichtlich nicht bereit, mir mehr zu erzählen. Also bedrängte ich ihn: »Ein Affe ist entkommen. Ein Rhesusaffe. Sie haben ihn in Angela Ferrymans Küche gefunden.«
Der forschende Blick, den Manuel auf mich richtete, war so durchdringend, daß ich überzeugt war, er habe in mein Herz gesehen, kenne den Inhalt einer jeder meiner Taschen und habe genau gezählt, wie viele Kugeln noch in der Glock waren.
»Sie haben den Rhesusaffen wieder eingefangen«, sagte er, »aber den Fehler gemacht, seine Flucht menschlichem Versagen zuzuschreiben. Sie haben nicht begriffen, daß er freigelassen wurde. Sie haben nicht gemerkt, daß ein paar Wissenschaftler des Projekts schon… am Werden waren.«
»Wozu?«
»Einfach nur… am Werden. Zu etwas Neuem. Sie haben sich verändert.«
Toby unterbrach die Gaszufuhr. Der Fisher-Brenner verschluckte seine eigenen Flammen.
»Wie haben sie sich verändert?«
»Welches System auch immer sie entwickelt haben, um neues genetisches Material in ein Versuchstier oder eine Versuchsperson einzufügen… dieses System hat einfach ein Eigenleben
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