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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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konnte.
    Wir begegneten nur vier Fahrzeugen. Jedesmal kniff ich die Augen zusammen und wandte den Blick von den Scheinwerfern ab.
    Angela wohnte an einer hochgelegenen Straße in einem bezaubernden spanischen Bungalow, der von Magnolien umgeben war, die allerdings noch nicht blühten. Die vorderen Räume waren nicht beleuchtet.
    Durch ein unverschlossenes Seitentor betrat ich einen Weg unter einem Laubengang. Die Seitenwände und die gebogene Decke waren von sternförmigem Jasmin überwuchert. Im Sommer würden die winzigen, fünfblättrigen Blüten so üppig sprießen, daß sich beim Betrachter der Eindruck einstellte, das Gitter sei mit mehreren Schichten aus Spitze verhangen. Selbst jetzt, so früh im Jahr, wurde das jagdgrüne Laubwerk von diesen feuerradähnlichen Blüten belebt.
    Während ich den Jasminduft tief einatmete und genoß, mußte Orson zweimal niesen.
    Ich schob das Rad aus dem Laubengang und auf die Rückseite des Bungalows, wo ich es gegen einen der Pfosten aus Rotholz lehnte, die das Patiodach trugen.
    »Sei wachsam«, sagte ich zu Orson. »Sei groß. Sei böse.«
    Er bellte leise, als hätte er verstanden, welchen Auftrag ich ihm gegeben hatte. Vielleicht hatte er es auch verstanden, ganz gleich, was Bobby Halloway und die Vernunftpolizei sagten.
    Hinter den Küchenfenstern und den nicht ganz durchsichtigen Vorhängen flackerte sanft Kerzenlicht.
    In der Tür befanden sich vier kleine Glasscheiben. Ich klopfte leise gegen eine davon.
    Angela Ferryman zog den Vorhang beiseite. Ihr schneller, nervöser Blick richtete sich auf mich – und dann auf den Patio hinter mir, wohl um sich zu vergewissern, daß ich allein gekommen war.
    Mit einer verschwörerischen Geste zog sie mich hinein und schloß die Tür hinter uns ab. Sie zerrte den Vorhang gerade, bis sie überzeugt davon schien, daß er keine Lücke mehr aufwies, durch die uns jemand hätte beobachten können.
    Obwohl es in der Küche angenehm warm war, trug Angela nicht nur einen grauen Trainingsanzug, sondern darüber auch noch eine marineblaue Wolljacke. Die Strickjacke schien ihrem verstorbenen Mann gehört zu haben; sie reichte ihr bis zu den Knien, und die Schultersäume hingen fast auf ihren Ellbogen. Die Ärmel waren so hochgerollt, daß die Aufschläge dick wie eiserne Handfesseln waren.
    In dieser üppigen Kleidung kam Angela mir dünner und kleiner denn je vor. Offensichtlich war ihr trotzdem noch kalt; sie war sehr blaß und zitterte.
    Sie umarmte mich. Wie immer war es eine heftige, scharfknochige, starke Umarmung, wenngleich ich eine ungewöhnliche Erschöpfung in ihr spürte.
    Sie setzte sich an einen Tisch aus poliertem Kiefernholz und bedeutete mir, ihr gegenüber auf dem Stuhl Platz zu nehmen.
    Ich nahm die Mütze ab und überlegte, ob ich auch die Jacke ausziehen sollte. In der Küche war es einfach zu warm. Aber ich trug ja die Pistole in der Jacke und befürchtete, daß sie zu Boden fallen oder gegen den Stuhl schlagen konnte, wenn die Arme aus den Jackenärmeln zog. Ich wollte Angela nicht beunruhigen, und die Waffe hätte ihr bestimmt angst gemacht.
    Mitten auf dem Tisch standen drei Votivkerzen in kleinen, rubinroten Haltern aus Glas. Arterien aus schimmerndem rotem Licht krochen über das polierte Kiefernholz.
    Eine Flasche Apricot Brandy stand auch noch auf dem Tisch.
    Angela reichte mir ein Likörglas, und ich füllte es bis zur Hälfte.
    Ihr Glas war bis zum Rand gefüllt. Und es war offensichtlich auch nicht ihr erstes.
    Sie hielt das Glas in beiden Händen, als wollte sie ihm Wärme entziehen, und als sie es dann auch mit beiden Händen an die Lippen hob, sah sie verlassener denn je aus. Trotz ihrer hageren Gestalt hätte sie für fünfunddreißig durchgehen können, fast fünfzehn Jahre jünger, als sie in Wirklichkeit war. In diesem Augenblick kam sie mir sogar eher wie ein Kind vor.
    »Schon als ich ein kleines Mädchen war, wollte ich nur Krankenschwester werden.«
    »Und Sie sind die beste«, sagte ich aufrichtig.
    Sie leckte sich Apricot Brandy von den Lippen und starrte in ihr Glas. »Meine Mutter hatte rheumatische Arthritis. Die Krankheit schritt schneller voran als sonst üblich. Sehr schnell. Als ich sechs Jahre alt war, da war sie schon auf Beinschienen und Krücken angewiesen. Kurz nach meinem zwölften Geburtstag war sie bettlägerig. Sie starb, als ich sechzehn war.«
    Ich konnte dazu nicht Bedeutungsvolles oder Hilfreiches sagen. Niemand hätte das gekonnt. Alle Worte, ganz gleich, wie aufrichtig sie

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