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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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kamen mir wie die Bullaugen eines prachtvollen Kreuzfahrtschiffs vor, das auf ewig nach Tahiti tuckerte.
    Links führte der Fußweg ins Stadtzentrum hinauf; irgendwann endete er am Friedhof neben der St. Bernadette, der katholischen Kirche. Rechts führte er hügelabwärts zu den Niederungen, zum Hafen und zum Pazifik.
    Ich betätigte die Gangschaltung und radelte hügelaufwärts, zum Friedhof, während der Eukalyptusgeruch mich an das Licht einst in einem Krematoriumfenster erinnerte, und an eine wunderschöne junge Mutter, die tot auf einer Rollbahre des Bestattungsunternehmers lag. Neben mir trottete der brave Orson, und über den Golfplatz drangen die schwachen Klänge von Tanzmusik aus dem Restaurant, und in einem der Häuser links von mir weinte ein Baby, und ich spürte das Gewicht der Glock in meiner Tasche und hörte, wie die Nachtfalken am Himmel mit ihren scharfen Schnäbeln Insekten knackten: die Lebenden und die Toten, alle zusammen zwischen Erde und Himmel gefangen.

11
    Ich wollte mit Angela Ferryman sprechen, da ihre Nachricht auf meinem Anrufbeantworter Enthüllungen zu versprechen schien. Ich war in der Stimmung für Enthüllungen.
    Zuerst jedoch mußte ich Sasha anrufen, die sicher darauf wartete, von mir zu hören, was mit meinem Vater war.
    Ich hielt am Friedhof der St. Bernadette an, einem meiner Lieblingsplätze, einem Hafen der Dunkelheit in einem der heller erleuchteten Stadtteile. Die Stämme sechs riesiger Eichen erhoben sich wie Säulen und trugen eine Decke, die von ihren sich gegenseitig durchdringenden Kronen gebildet wurde. Die stille Fläche darunter ist in Gängen angelegt, ähnlich wie die in Bibliotheken: Die Grabsteine sind wie Buchreihen, die die Namen jener tragen, die aus den Seiten des Lebens gelöscht wurden. Woanders mag man sie vergessen haben, aber hier erinnert man sich ihrer.
    Orson streifte umher, entfernte sich aber nicht weit von mir. Er hatte die Fährten der Eichhörnchen aufgenommen, die am Tag Eicheln von den Gräbern sammelten. Er war allerdings kein Jäger, der Beute verfolgte, sondern eher ein Wissenschaftler, der seine Neugier befriedigte.
    Ich löste das Handy von meinem Gürtel, schaltete es ein und wählte die Nummer von Sasha Goodalls Mobiltelefon. Sie ging nach dem zweiten Klingeln ran.
    »Dad ist nicht mehr da«, sagte ich, womit ich mehr meinte, als sie wissen konnte.
    Zuvor hatte Sasha in Erwartung von Dads Tod ihr Mitgefühl ausgedrückt. Nun spannte sich ihre Stimme vor Trauer leicht an, eine Anspannung, die sie jedoch so gut verbarg, daß nur ich sie bemerken konnte: »War… war sein Abschied wenigstens leicht?«
    »Keine Schmerzen.«
    »War er bei Bewußtsein?«
    »Ja. Wir konnten uns voneinander verabschieden.«
    Fürchte nichts.
    »Das Leben ist beschissen«, sagte Sasha.
    »So sind nun mal die Regeln«, sagte ich. »Um beim Spiel mitmachen zu können, müssen wir uns dazu bereit erklären, eines Tages damit aufzuhören.«
    »Es ist trotzdem beschissen. Bist du noch im Krankenhaus?«
    »Nein. Ich bin unterwegs. Wandere so herum. Arbeite etwas Frust ab. Wo bist du?«
    »Im Auto. Ich fahre gerade zu Pinkie’s Diner, um zu frühstücken und an meinen Notizen für die Sendung zu arbeiten.« Sie würde in dreieinhalb Stunden auf Sendung gehen. »Ich könnte aber auch etwas mitnehmen, und wir könnten irgendwo zusammen essen.«
    »Ich habe eigentlich keinen Hunger«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Aber wir sehen uns dann später.«
    »Wann?«
    »Wenn du morgen früh nach Hause kommst, werde ich dort sein. Ich meine, wenn du nichts dagegen hast.«
    »Ausgezeichnet. Ich liebe dich, Snowman.«
    »Ich liebe dich«, sagte ich.
    »Das ist unser kleines Mantra.«
    »Es ist unsere Wahrheit.«
    Ich drückte auf den Knopf, der die Verbindung unterbrach, schaltete das Telefon aus und klemmte es wieder an meinem Gürtel fest.
    Als ich vom Friedhof radelte, folgte mein vierbeiniger Begleiter mir zuerst nur zögernd. Er hatte noch die Geheimnisse der Eichhörnchen im Kopf.
    Wann immer möglich, nahm ich auf dem Weg zu Angela Ferrymans Haus Gassen, durch die wahrscheinlich sonst niemand ging, und Straßen mit weit auseinanderstehenden Lampenpfosten. Wenn ich gelegentlich an eng zusammenstehenden Straßenlampen vorbeifahren mußte, trat ich um so härter in die Pedale.
    Orson paßte sein Tempo gewissenhaft dem meinen an. Er schien frohgestimmter als zuvor zu sein, nun, da er an meiner Seite trotten konnte, schwärzer als jeder Nachtschatten, den ich werfen

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