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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Hof hin und her, starrte abwechselnd mich an – erwiderte meinen Blick, wie er als einziger Hund den Blick eines Menschen erwidern kann – und sah zum Himmel hoch, bald steif und zitternd vor Wut, bald schwach und winselnd, anscheinend vor Verzweiflung.
    Als ich Bobby Halloway davon erzählte, sagte er, daß Hunde niemanden hassen können und zu so komplizierten Empfindungen wie echter Verzweiflung nicht fähig sind, daß ihr Gefühlsleben so schlicht ist wie ihre sonstigen intellektuellen Fähigkeiten. Als ich auf meiner Interpretation beharrte, erwiderte Bobby: »Hör zu, Snow, wenn du nur hier herkommst, um mich mit diesem New-Age-Scheißdreck zu Tode zu langweilen, kannst du dir gleich ‘ne Knarre kaufen und mir das Gehirn aus dem Schädel pusten. Das wäre gnädiger als dieser quälend langsame Tod, dem du mich da auslieferst, indem du mich mit deinen langweiligen kleinen Geschichten und törichten Lebensanschauungen niederknüppelst. Die Geduld eines Menschen hat Grenzen, heiliger Franziskus – sogar die meine.«
    Aber ich wußte, was ich wußte, und ich wußte, daß Orson mich in dieser Nacht im Juli gehaßt hatte, gehaßt und geliebt. Und ich wußte, daß irgend etwas im Himmel ihn quälte und mit Verzweiflung erfüllte: die Sterne, die Schwärze, oder vielleicht auch etwas, was er sich nur einbildete.
    Können Hunde sich etwas einbilden? Warum nicht.
    Ich weiß, daß sie träumen. Ich habe sie im Schlaf beobachtet, gesehen, wie ihre Beine treten, während sie Traumkaninchen verfolgen, gehört, wie sie seufzen und winseln, gehört, wie sie Traumgegner anknurren.
    Orsons Haß in dieser Nacht bewirkte nicht, daß ich ihn fürchtete, aber daß ich um ihn fürchtete. Ich wußte, daß sein Problem nicht Staupe oder irgendeine andere körperliche Erkrankung war, die ihn gefährlich für mich werden ließ, sondern ein Leiden der Seele.
    Bobby gerät gehörig in Fahrt, wenn ich erwähne, daß Tiere eine Seele haben, und ereifert sich unzusammenhängend, wenn auch unglaublich unterhaltsam darüber. Ich könnte Eintrittskarten verkaufen. Ich ziehe es dann allerdings vor, eine Flasche Bier aufzumachen, mich zurückzulehnen und die Show allein zu genießen.
    Auf jeden Fall saß ich während dieser langen Nacht im Hof und leistete Orson Gesellschaft, auch wenn er sie vielleicht gar nicht haben wollte. Er sah mich finster an, reagierte mit dünnem Gejaule auf das Himmelsgewölbe, zitterte unbeherrscht, lief im Kreis im Garten herum, lief immer weiter bis in die Morgendämmerung hinein, kam dann endlich erschöpft zu mir, legte den Kopf auf meinen Schoß – und haßte mich nicht mehr.
    Kurz vor Sonnenaufgang ging ich auf mein Zimmer, Stunden früher als üblich reif fürs Bett, und Orson begleitete mich. Wenn er sich entschließt, nach meinem Zeitplan zu schlafen, rollt er sich meistens zu meinen Füßen ein, doch diesmal lag er auf der Seite, mir den Rücken zugewandt, und bis er einschlief, streichelte ich seinen massigen Kopf und glättete sein schönes, schwarzes Fell.
    Ich selbst schlief an jenem Tag überhaupt nicht. Ich lag da dachte über den heißen Sommermorgen hinter den Jalousien nach. Der Himmel wie eine umgestülpte blaue Porzellanschüssel, an deren Rand Vögel flogen. Vögel des Tages, die ich nur von Bildern her kannte. Und Bienen und Schmetterlinge. Und Schatten, tintenrein und messerscharf an den Kanten, wie sie es nachts niemals sein können. Der süße Schlaf konnte mich nicht durchfließen, weil ich bis zum Rand mit einer bitteren Sehnsucht erfüllt war.
    Als ich jetzt, fast drei Jahre später, die Küchentür öffnete und auf die hintere Veranda trat, hoffte ich, daß Orson nicht in so einer verzweifelten Stimmung war. In dieser Nacht hatten wir keine Zeit für eine Therapie, ob sie nun ihm oder mir galt.
    Mein Fahrrad stand auf der Veranda. Ich ging die Treppe hinab und rollte es zu dem emsig wühlenden Hund.
    In der südwestlichen Ecke des Gartens hatte er ein halbes Dutzend Löcher unterschiedlicher Größe und Tiefe gegraben, und ich mußte darauf achten, mir in keinem davon den Knöchel zu verstauchen. Hinter diesem Rasenstück lagen entwurzelte Grasbüschel und Erdklumpen verstreut, die er mit den Krallen losgerissen hatte.
    »Orson?«
    Er reagierte nicht. Er hielt nicht einmal mit dem wahnwitzigen Graben inne.
    Ich schlug einen weiten Bogen um ihn, um der Gischt aus Erde auszuweichen, die er mit seinen grabenden Vorderläufen aushob, ging um das Loch herum, mit dem er gerade beschäftigt

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