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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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erstaunlicher Geruch. So ein üppiger Wohlgeruch. Ist das Eichhörnchenpisse? Entschuldige mich, Herrchen Snow. Ich hab zu tun. Muß mich hier um was Wichtiges kümmern.
    »Ich glaube nicht, daß sie das Haus in Brand gesteckt haben, um mich zu töten. Es war ihnen völlig egal, ob sie mich töten oder nicht. Hätten sie es gewollt, hätten sie es auf wesentlich direktere Art und Weise versucht. Sie haben das Feuer gelegt, um den Mord an Angela zu vertuschen. Das war der Grund, sonst nichts.«
    Schnüff, schnüff, schnüff-schnüff-schnüff: raus mit den Resten der schlechten Luft des brennenden Hauses, rein mit dem belebenden Geruch der Eichhörnchen, raus mit dem Schlechten, rein mit dem Guten.
    »Mein Gott, sie war ein so guter Mensch, ein so selbstloser«, sagte ich verbittert. »Sie hat es nicht verdient, so zu sterben, oder überhaupt zu sterben.«
    Orson hielt nur kurz mit seinem Schnüffeln inne. Menschliches Leid. Schrecklich. Schreckliche Sache. Qualen, Tod, Verzweiflung. Aber dagegen kann man nichts machen. Gar nichts. So ist nun mal der Lauf der Welt, die Natur des menschlichen Daseins. Schrecklich. Komm, schnüffel mit mir nach den Eichhörnchen, Herrchen Snow, dann fühlst du dich besser.
    Ich hatte plötzlich einen Kloß im Hals, keine tiefe Trauer, sondern etwas Prosaischeres, und so würgte ich mit tuberkulöser Heftigkeit und spuckte schließlich eine schwarze Auster zwischen die Baumwurzeln.
    »Ob ich Sasha noch immer so stark an James Dean erinnern würde«, sagte ich, »wäre sie jetzt hier? Na, was meinst du?«
    Mein Gesicht fühlte sich fettig und wund an. Ich wischte es mit einer Hand ab, die sich ebenfalls fettig anfühlte.
    Die Mondschatten windgeschüttelter Blätter tanzten wie Friedhofselfen über das dünne Gras auf den Gräbern und die glatten Oberflächen der Grabsteine.
    Selbst in diesem eigentümlichen Licht sah ich, daß die Fläche der Hand, die ich ans Gesicht gehoben hatte, rußverschmiert war. »Ich muß zum Himmel stinken.«
    Sofort verlor Orson das Interesse an den Eichhörnchenfährten und kam eifrig zu mir. Er schnüffelte eindringlich an meinen Schuhen, den Beinen, der Brust, steckte schließlich die Schnauze unter meine Jacke und in meine Achselhöhle.
    Manchmal vermute ich, daß Orson nicht nur mehr versteht, als ein Hund unserer Auffassung zufolge eigentlich verstehen dürfte, sondern auch einen gewissen Sinn für Humor und ein Gespür für Sarkasmus hat.
    Ich schob seine Schnauze mit Gewalt aus meiner Achselhöhle und hielt seinen Kopf mit beiden Händen fest. »Du riechst auch nicht gerade wie ein Rosengarten, Kumpel. Und was für ein Wachhund bist du überhaupt? Vielleicht waren sie schon bei Angela im Haus, als ich kam, und sie wußte es nicht. Aber wieso hast du sie nicht in den Arsch gebissen, als sie das Haus verließen? Wenn sie durch die Küchentür gegangen sind, müssen sie unmittelbar an dir vorbei gekommen sein. Warum habe ich nicht einen Haufen böser Buben gefunden, die sich auf dem Hof herumrollen, sich ans Hinterteil fassen und vor Schmerz laut heulen?«
    Orson erwiderte meinen Blick aus tiefen Augen. Die Frage, der darin enthaltene Vorwurf schockierten ihn. Ja, es schockierte ihn geradezu. Er war ein friedlicher Hund. Ein Hund des Friedens. Er jagte Gummibälle, leckte einem das Gesicht, war ein Philosoph und toller Kumpel. Außerdem, Herrchen Snow, hatte ich den Auftrag, Schurken daran zu hindern, das Haus zu betreten, aber nicht, es zu verlassen. Zum Glück sind die Schurken endlich abgehauen! Wer will so welche überhaupt in der Nähe haben? Schurken und Flöhe. Seien wir doch froh, daß sie weg sind.
    Während ich Orson Nase an Nase gegenüber saß und ihm in die Augen sah, überkam mich ein unheimliches Gefühl – vielleicht war es auch nur vorübergehender Wahnsinn –, denn einen Moment lang bildete ich mir ein, seine wahren Gedanken lesen zu können, die entschieden anders als der Dialog waren, den ich erfunden hatte. Anders und beunruhigend.
    Ich nahm die Hände von seinem Kopf, aber er wandte sich weder von mir ab, noch senkte er den Blick.
    Ich konnte meinen auch nicht senken.
    Hätte ich Bobby Halloway auch nur ein Wort davon erzählt, hätte er mir zu einer Lobotomie geraten. Trotzdem spürte ich, daß der Hund Angst um mich hatte. Und Mitleid mit mir, weil ich mich so sehr bemühte, nicht die wahre Tiefe meines Schmerzes einzugestehen. Mitleid, weil ich nicht eingestehen konnte, welche Angst mir die Aussicht bereitete, allein zu sein.

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