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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Phase war, sah es fast so aus, als hätten wir Nipptide. Auch wegen des auflandigen Windes, der hier draußen zwar so stürmisch war, daß er das Meer etwas aufwühlte, den man in der Stadt aber so gut wie nicht wahrnahm, war die Brandung etwas schwerfällig.
    Ablandiger Wind ist am besten, weil er die Meeresoberfläche glättet. Er weht die Gischt von den Wellenkämmen, hält sie länger oben und wölbt sie nach innen, bevor sie dann brechen.
    Bobby und ich surfen seit wir elf waren: er am Tag, wir beide zusammen des Nachts. Viele Surfer gehen bei Mondschein raus, wenige, wenn der Mond untergegangen ist, aber Bobby und ich sind am liebsten bei Sturmwellen draußen, wenn man noch nicht mal die Sterne sehen kann.
    Wir waren damals blutige Anfänger, absolut lästige Surfwelpen, hatten uns mit vierzehn Jahren aber schon zu guten Surfern weiterentwickelt und waren ausgereifte Könner, als Bobby seinen Abschluß auf der High School machte und ich, der ich zu Hause unterrichtet wurde, die entsprechende Prüfung ablegte. Bobby ist jetzt mehr als nur ein Könner; er ist eine Surfkapazität, und Leute aus aller Welt wenden sich an ihn, um herauszufinden, wo demnächst die großen Wellen brechen werden.
    Mein Gott, ich liebe das Meer bei Nacht. Es ist Dunkelheit, die zu Flüssigkeit destilliert wird, und nirgendwo auf der Welt fühle ich mich mehr zu Hause als in dieser schwarzen Dünung. Das einzige Licht, das je aus dem Ozean aufsteigt, ist das des biolumineszenten Planktons, das aufleuchtet, wenn man es aufwühlt, und obwohl es eine gesamte Welle in einem intensiven Limonengrün aufleuchten lassen kann, ist seine Helligkeit für meine Augen gut verträglich. Die nächtliche See enthält nichts, wovor ich mich verbergen oder wovon ich den Blick je abwenden muß.
    Als ich zum Cottage zurückging, stand Bobby in der offenen Haustür. Wegen unserer Freundschaft sind alle Lampen in seinem Haus mit Dimmern ausgestattet; im Moment hatte er die Lichter auf die Stärke von Kerzenschein gedämmt.
    Ich habe nicht die geringste Ahnung, wieso er immer weiß, daß ich komme. Weder ich noch Orson hatten ein Geräusch gemacht. Bobby weiß es einfach immer.
    Er war barfuß, selbst im März, trug aber Jeans statt Badehosen oder Shorts. Er hatte ein Hawaiihemd an – andere besaß er gar nicht –, als Zugeständnis an die Jahreszeit jedoch einen langärmeligen, weißen Baumwollpullover mit engem, rundem Halsausschnitt unter dem kurzärmeligen Hemd angezogen, das mit bunten, fragend dreinschauenden Papageien und üppigen Palmwedeln bedruckt war.
    Als ich die Verandatreppe hinaufstieg, begrüßte Bobby mich mit dem Shaka, dem Handzeichen der Surfer, das einfacher nachzumachen ist als der vulkanische Gruß in Star Trek, der wahrscheinlich auf dem Shaka basiert. Man krümmt die drei mittleren Finger zur Handfläche, steckt den Daumen und den kleinen Finger heraus und bewegt die Hand langsam hin und her. Der Gruß hat viele Bedeutungen – hallo, wie geht’s, bleib locker, toller Ritt –, und alle sind freundlich gemeint und werden nie als Beleidigung aufgefaßt, außer, man grüßt jemanden damit, der kein Surfer ist, zum Beispiel das Mitglied einer Gang aus Los Angeles. In diesem Fall könnte man dafür erschossen werden.
    Ich brannte darauf, ihm alles zu erzählen, was sich seit Sonnenuntergang ereignet hatte, doch Bobby zieht es vor, das Leben gelassen anzugehen. Wäre er noch eine Spur gelassener, wäre er tot. Wenn er nicht gerade auf einer Welle reitet, steht er auf Ruhe. Schätzt sie sehr. Wenn man Bobby Halloways Freund sein will, muß man lernen, seine Sicht des Lebens zu akzeptieren: Nichts, was weiter als einen Kilometer vom Strand entfernt geschieht, ist es wert, daß man sich deshalb Sorgen macht, und kein Ereignis ist so ernst oder feierlich, daß man eine Krawatte tragen muß. Er reagiert auf interesselose Konversation besser als auf Geschwätz, auf indirekte besser als auf direkte Aussagen.
    »Machst du mir ein Bier auf?« sagte ich.
    »Corona, Heineken, Löwenbräu?« fragte Bobby.
    »Für mich ein Corona.«
    »Trinkt der mit dem Schwanz heute abend auch eins?« fragte Bobby, als er ins Wohnzimmer voranging.
    »Er hätte gern ein Heinie.«
    »Hell oder dunkel?«
    »Dunkel«, sagte ich.
    »Muß ein harter Abend für Hunde gewesen sein.«
    »Worauf du dich verlassen kannst.«
    Das Cottage besteht aus einem großen Wohnzimmer, einem Büro, in dem Bobby weltweit Wellen aufspürt, einem Schlafzimmer, einer Küche und einem Bad.

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