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Gesellschaft in Angst - Zwischen Sicherheitswahn und Freiheit

Gesellschaft in Angst - Zwischen Sicherheitswahn und Freiheit

Titel: Gesellschaft in Angst - Zwischen Sicherheitswahn und Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johano Strasser
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nach der sinn- und freudvollen Gestaltung des Lebens zu verdrängen.
     
    Unsere in vieler Hinsicht so eigennützige Gesellschaft scheint bezüglich der Frage, wie im wohlverstandenen Eigeninteresse glücklich und erfüllt zu leben sei, mit bestürzender Dummheit geschlagen zu sein. Wer sich nicht durch die bunte und kraftstrotzende Fassade blenden lässt, die das Leben unserer ach so dynamischen Leistungsträger umgibt, erkennt, dass über die glitzernde Szenerie ein Grauschleier der Melancholie gebreitet ist. All die umtriebige Aktivität, alle Siegesfanfaren und alles demonstrative Bemühen um Optimismus können nicht verbergen, dass wir uns unserer Sache keineswegs sicher sind. Im Gegenteil, immer mehr Menschen leiden unter Ängsten und Überforderung, und es beschleicht sie zunehmend das Gefühl, einem Phantom hinterherzurennen und dabei das eigentliche, das gute Leben zu verfehlen.

7. Wachsende Macht – wachsende Verantwortung
    Macht Euch die Erde untertan! Es gibt kein anderes biblisches Gebot, dass die Menschheit so beflissen und so gründlich befolgt hat. In nur wenigen Jahrhunderten ist es ihr mit Hilfe von Wissenschaft und Technik gelungen, das dominium hominis , den Raum also, den der Mensch nach eigenen Vorstellungen gestaltet und beherrscht, bis zum Äußersten auszudehnen. Wir haben die Erde besiedelt, Wälder gerodet, Sümpfe trockengelegt, Tiere gezähmt und Pflanzen gezüchtet; wir haben auch den letzten Winkel der Erde erforscht und an die Stelle der Natur eine zweite, von Menschen gemachte gesetzt; wir sind in den Weltraum vorgestoßen, ins Innere der Materie eingedrungen, haben den genetischen Code entschlüsselt, moderne digitale Technik hat unseren Planeten schrumpfen und den Zugriff auf ungeheure Datenmengen (im wörtlichen und im übertragenen Sinn) zu einem Kinderspiel werden lassen. Heere von Wissenschaftlern sind dabei, das Geheimnis des Lebens und den Ursprung des Weltalls zu enträtseln. Kein Zweifel, noch nie in ihrer ganzen Geschichte waren die Menschen so mächtig wie heute. Aber diese ungeheure Macht erfüllt uns nicht nur mit Stolz, sie ängstigt uns auch, weil sie mit einer schier unmenschlichen Verantwortung verbunden ist. Und wenn wir zu unserer eigenen Überraschung auf Grenzen unserer Gestaltungsmacht stoßen, wenn trotz aller Vorkehrungen das Geschehen um uns herum plötzlich außer Kontrolle gerät und wir mit den ungewollten Folgen unseres eigenen Tuns konfrontiert werden, reagieren wir gekränkt und verängstigt wie alle Herrscher, wenn sie erkennen müssen, dass sie nicht allwissend und allmächtig sind.
     
    »Seit der Mensch sich der Natur bemächtigt hat und diese auf technischen Wegen verändert, hat er Angst«, schreibt der Philosoph
Jürgen Mittelstraß in einem Aufsatz unter dem Titel Die Angst und das Wissen . 50 Was er meint, ist die Angst vor den Folgen der menschlichen Machtergreifung, die in den mythischen Erzählungen der Griechen von Prometheus und Ikarus als Hybris gedeutet und von den Göttern grausam bestraft wird. Und in der Tat ist es erstaunlich, in welchem Maße sich uns Heutigen bestätigt, was die Menschen in der Antike allenfalls erahnen konnten. Auf immer mehr Feldern werden wir heute mit der Tatsache konfrontiert, dass die machtvollen Systeme, die wir zu unserem Schutz und zur Befriedigung unserer immer weiter gestiegenen Ansprüche ersonnen haben, sich gegen uns wenden. Auch wenn die meisten Menschen wohl nicht der allzu pauschalen Diagnose Wolfgang Königs zustimmen würden, dass »die paradoxe Situation« heute darin bestehe, »dass die zum Schutz der Menschen geschaffene Technik zur Bedrohung der Menschen geworden ist«, 51 so würden sie doch wohl einräumen, dass dies für viele unserer technischen Systeme gilt. Und in dem Maße, in dem es uns gelingt, mit Hilfe von Wissenschaft und Technik unsere Macht auszudehnen, wird auch das von Günther Anders sogenannte »promethische Gefälle zwischen Macht und Verantwortung« zu einem uns bedrängenden Problem.
     
    Freilich, auch das wissen wir: Ein Zurück zu einem ursprünglichen Unschuldszustand gibt es nicht. Wir leben unwiderruflich in einer von Menschen gemachten und darum auch von ihnen zu verantwortenden Welt. Die einzige Option, die uns bleibt, wenn wir nicht als Spezies scheitern wollen, ist die, diese unsere Welt und unsere Stellung in derselben besser zu verstehen und uns nur so viel zuzutrauen, wie wir tatsächlich verantworten können. Man mag in der Entwicklung der Atombombe und

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