Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
schätzen, sagte Werner. Gerade so wünsche ich es mir! Wenn mehr Menschen solchen Einsatz zeigen würden, Frau Dombrowski, dann wäre dies ein besserer Ort. Er tätschelte ihr wohlwollend den Arm. Sie schritten weiter über das feucht glänzende Linoleum, umgeben von scharfem Reinigungsgeruch, und Frau Dombrowski rückte ihr Namensschild zurecht und stieß den Feudel zurück in den Eimer.
Meine Freunde von der Gewerkschaft werden es lieben, um diese Uhrzeit vom Arbeitskampf belästigt zu werden, sagte Werner, während er die Tür seines Büros hinter ihnen schloss. Er ließ sich an seinen Schreibtisch nieder, wies Luise den Besucherstuhl zu, zog das Telefon an sich heran und drückte einige Knöpfe, um die Leitung freizuschalten.
Morgen wird alles stillstehen im Betrieb Tietjen, es wird einen Streik geben, verkündete Werner, und wie soll ich darauf reagieren, wenn ich gar nicht reagieren darf? Ich habe vorhin schon mit einigen Herren von der Gewerkschaft telefoniert, aber tagsüber haben sie den Kopf voll mit allem möglichen Zeug und verstehen nicht, dass hier alles aus den Fugen gerät.
Beim Reden verschob er die Gegenstände auf seinem Schreibtisch, Brieföffner, Kugelschreiber, Füllfederhalter. Heute Abend wirst du sehen, wie verkommen der ganze Haufen ist, sagte er, diese Gewerkschafter, die ihre Leute nicht unter Kontrolle haben, die überhaupt nichts unter Kontrolle haben außer ihrer eigenen Gehaltsabrechnung. Er ordnete die Gegenstände auf dem Schreibtisch wieder und wieder um, doch es gelang ihm nicht, sie aus der sterilen Ordnung herauszulösen.
Dabei haben wir im Frühjahr alles mit ihnen abgesprochen, aber es bleibt doch ein Trupp bequemer Chaoten. Es nützt nichts, sich darüber aufzuregen. Man muss ihnen in den Hintern kriechen, um irgendwann zu ihrem Mund wieder herauszukommen, und wenn man Pech hat, hören sie in dem Moment nicht einmal zu.
Er legte sich den Hörer ans Ohr, seine Stimme verwandelte sich, als er ins Telefon sprach. Walter, ich bin es noch mal, Sie werden es mitbekommen haben, die Lage ist nicht besser geworden. Die Sätze flossen aus ihm heraus, sie hatten nichts mit dem Werner Kettler zu tun, den Luise kannte, sie waren leicht und bestimmt. Walter, ich denke nicht, dass wir noch warten können, Sie sind nicht hier, Sie haben kein Bild von der Lage, deshalb dränge ich darauf, dass Sie herkommen, Sie müssen Ihre Leute in den Griff kriegen. Werners Stimme drang in Luises Kopf und verdrängte jeden anderen Gedanken. Walter, das geht so nicht, es gab Absprachen, und Luise hörte nur noch Werners Stimme, während sein Körper schwer und fett im Sessel hing und daran erinnerte, dass er eben doch nur ihr Onkel war.
Er legte den Hörer auf den Apparat zurück und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Als er sein Gesicht zu Luise drehte, sah sie, wie erschöpft er war. Eine Erschöpfung, die sie ihm nicht zugetraut, die sie immer nur an ihrem Vater vermutet hatte.
Im Übrigen, sagte er, es wäre gut, wenn du demnächst nach New York fliegen würdest, ich will wissen, was dort vor sich geht.
Kurz war Luise hinausgegangen, hatte ihren Onkel mit seinem Adressbuch allein gelassen, aus dem er eine weitere Nummer wählte, ja, Klaus, grüß dich, Werner hier. Luise fuhr mit dem Fahrstuhl durch das leere Gebäude, lief Flure entlang, die sie noch nie betreten hatte, eilte sie doch sonst, wenn sie hier war, zielstrebig in den obersten Stock. Etage eins, eng zusammengescharte Bürotüren, Etage drei, gleißendes Neonlicht, jemand (Frau Dombrowski?) hatte vergessen, es auszuschalten. Luise dachte an Krays, der auf seinem Bett lag, auf sie wartete, ihr etwas vom Abendessen in der Küche übrig gelassen hatte, daneben eine Flasche Rotwein, von dem er selbst wieder einmal nichts trank. Du kannst dir nur Anstand leisten, was, Krays?, hatte sie ihn aufgezogen, und er hatte gelacht, obwohl der Witz auf seine Kosten ging, und Luise spöttelte weiter: Weißt du was, zu Weihnachten schenk ich dir ein bisschen Auslauf. Er legte ihr zwei Finger auf den Mund, übertreib es nicht, Luise, flüsterte er, aber er nahm es ihr nicht übel, er hatte gar nicht den Mut, es ihr übelzunehmen. Manche Leute hatten Talent, andere hatten ein Vermögen, das war der Unterschied. Krays wusste nur, wie man Verantwortung übernahm, nicht, wie es sich anfühlte, sie zu besitzen. Was würdest du tun, wenn du morgen die Firma leiten müsstest, Krays? Sie roch seine süßliche Haut, der Geruch von Säuglingen. Luise
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