Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
Werner kaute genüsslich und trank in schnellen Zügen den Wein, während Luise alles stumm und appetitlos zu sich nahm, die Ente, die ebenso gut eine Gans oder ein Huhn hätte sein können, das Wasser, den Wein.
So also kommst du der Sache bei, sagte Werner zu ihrer Mutter, mit einer Ente, das ist ausgezeichnet, meine Liebe.
Carola hielt kurz beim Schneiden inne und warf Werner einen feindlichen Blick zu.
Dass Ente wirklich ein ausgezeichneter erster Schachzug sei, dass man überhaupt immer mit Ente gegen Katastrophen angehen sollte. Bedauerlich nur, sagte Werner, dass es weltweit nicht genug Ente gibt, um gegen alle Katastrophen anzugehen, aber immerhin, sagte er, hätten wenigstens sie genügend Ente. Ob sie vielleicht Wessner zum Entenessen einladen sollten.
Der Brief, den wir von Kurt bekommen haben, ist zwar ein ausgesprochen schlechter Witz, gleichwohl durchaus schlagkräftig. Derweil schreibt die Firma Verluste, erklärte Werner. Wir hätten schon vor Monaten entlassen müssen, aber Kurt hat sich ja geweigert, er war, wenn du mich fragst, einfach zu feige. Und jetzt sind mir die Hände gebunden, ich darf alleine nichts entscheiden. Dabei brauchen wir eine Entscheidung, wir brauchen sie dringend. Leider, sagte er zu Carola gewandt, sitzt dein Mann in den Staaten und schaut von dort wie der liebe Gott vom Himmel auf uns hinab, und wir, Werners Stimme wurde laut, wir können nichts tun, für alles brauchen wir seine Zustimmung. Ich bin nur sein Stellvertreter. Der Stellvertreter Gottes auf Erden. Eine lächerliche Figur.
Er solle doch bitte nicht so tun, als sei Kurt noch ihr Mann, entgegnete Carola. Jemand, der einfach ohne ein Wort verschwindet. Du bist ja fein raus, sagte sie, deine Ehe mit Fiona hat ja schon frühzeitig im Irrenhaus geendet.
Werners Mund verzog sich zu einem süßlichen Lächeln. Seine Frau verweste seit Jahren in einem Pflegeheim, wo sie nur noch dem Pock-Pock der Tennisbälle folgte, die von einer Seite des Bildschirms auf die andere flogen, Roger Federer gewann Wimbledon, Serena Williams die Australian Open, und Luises Tante lächelte matt. Über Fionas Krankheit schwieg man sich für gewöhnlich aus, aber im Stillen gab jeder Werner die Schuld an ihrem Zustand.
Luise sah auf diesen dicken, prallgefüllten Mann, der sich, wie ihre Mutter nicht müde wurde zu betonen, seinen Wohlstand nicht verdient hatte, der nicht aus einer guten Familie kam, sondern lediglich im richtigen Moment Kurts Schwester Fiona einen Antrag gemacht hatte, als diese noch zu jung gewesen war, um zu wissen, dass eine Heirat keine Privatangelegenheit war. So verantwortungslos wie Fiona hatte sich bis zuletzt niemand in der Familie Tietjen verhalten, doch nun übertraf Kurt seine Schwester noch, und in beiden Fällen profitierte Werner Kettler davon.
Luise, ich fürchte, mit deiner Mutter ist heute Abend nicht zu reden. Ich würde aber gern, ehe ich schlafen gehe, dieses verdammte Unternehmen retten, und dazu werden einige Telefonate nötig sein.
Werner rückte seinen Stuhl zurück und warf die steife Stoffserviette auf den Tisch. Es sei jetzt halb neun, und er gedenke nicht, vor drei Uhr schlafen zu gehen, und ob etwa Luise gedacht hätte, vor drei ins Bett zu kommen, fragte er und zündete sich eine Zigarette an, deren Rauch er gierig inhalierte, im Hintergrund trat die Haushälterin mit Dessertschälchen auf, in denen sich etwas Glutrotes befand. Luise antwortete nicht.
Dann ist es ja gut, sagte Werner, dann kommst du mit, ich kann dich gebrauchen. Von glasierten Enten lernst du nichts, davon wirst du nur fett, sagte er und blickte gelassen auf Luises Mutter, die ein halbes Salatblatt und einige Fleischfasern auf ihrem Teller zurückgelassen hatte. Die Haushälterin stellte die Dessertschälchen auf dem Tisch ab und blickte fragend zu Carola Tietjen.
Gute Frau, dröhnte Luises Onkel, was rücken Sie uns jetzt auch noch mit roter Grütze zu Leibe, sehen Sie denn nicht, dass ich bereits an Übergewicht leide, und die Dame dort hat schon vor drei Salatblättern kapitulieren. Er wedelte mit der Hand, als wolle er eine Fliege vertreiben, eine Geste, die zumindest Carola wieder zum Leben erweckte. Entrüstet stand sie auf und erklärte, jemanden mit solch ordinären Manieren dulde sie nicht länger an ihrem Tisch, und wenn er zu telefonieren habe, dann solle er das gefälligst woanders tun, und ihre Tochter solle er mitnehmen, in Gottes Namen, oder hierlassen, aber er solle seinen abschätzigen Blick auf der
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