Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
Laundryshops, mit einem Kaffee in der Hand, der Hund flitzte vor und zurück, um die Ecke, hin und her, ein schnüffelndes Chaos. Immerhin war es dieses Tier, das Kurt Tietjen wieder in ihr Blickfeld brachte, in Fanny Weidmanns Blick.
Er grüßte sie, sie schaute böse zurück. Ihr magerer, kaum vorhandener Körper lehnte am gusseisernen Zaun, sie war störrisch, sie wollte nicht wissen, was er hier trieb. Ganz hatte er sich noch nicht an seine neue Rolle gewöhnt. Es gab keinen Grund, Kurt Tietjen zu erkennen, er existierte hier nicht mehr.
Die Firma pochte weit entfernt in seiner Erinnerung, doch was sie hervorbrachte, war nur Luft. Schlaufen, die sich auflösten, wenn man an ihnen zog, Schlingen, die auseinanderfielen, sobald man sich in ihnen aufhängen wollte. Er dachte an seinen Schwager Werner Kettler, der dick und gefällig die Geschicke der Firma leitete, soweit er dazu berechtigt war. Bei den entscheidenden Fragen musste er Kurts Zustimmung einholen, Kurt aber stimmte nicht zu. Er hatte sich zusammen mit den Schlingen aufgelöst. Hier lief ein Mensch, der bald nichts mehr wissen würde von Frottee, Halbschlingenverfahren, texanischer Baumwolle, von Marktvorteilen, Schmiergeldern und von Dipl.-Ing. Liu.
Dass sie sich im Treppenhaus begegnet seien. Dass er eine Wohnung in ihrem Haus gefunden habe, erklärte er Fanny, deren Gesicht sich nicht aufhellte, und Kurt überlegte schon, sich zurückzuziehen, eine Verwechslung vorzutäuschen, in den Waschsalon zu fliehen.
Ach?, sagte sie müde. Ihre Miene war glanzlos, sie zeigte sich desinteressiert. Was Besseres hast du nicht gefunden?, fragte sie endlich, vielleicht nur, weil sie nicht loskam, weil der Hund nicht von Kurt abließ. Ihm gefiel das Tier, ihm gefiel, dass er seine Besitzerin dirigierte. Du bist allein eingezogen?
Allein, ja, ich wohne allein, erwiderte er hastig und war ein wenig bestürzt, dass sie in einem solch kleinen, stickigen Apartment mehr als eine Person vermuten konnte, er selbst wäre nie auf die Idee gekommen. Aber nicht nur das war es, was ihn so irritierte. Ihn verunsicherte, dass die Regeln, auf die er sich immer verlassen hatte, ihn im Stich ließen. Zum ersten Mal hatte er keinen Namen, keine Macht, er trug sein Vermögen nicht vor sich her und konnte sich nicht vorstellen, was eine Frau an ihm begehrenswert finden mochte. Da war nichts. Er musste sich eingestehen: Da war nichts. Fanny sah durch ihn hindurch wie durch jeden anderen, und die Typen, die sie abends in der Bar ansprachen, waren wenigstens jung. Aus ihnen konnte noch etwas werden. Aus Kurt hingegen war schon alles geworden, und er hatte alles abgeschüttelt. Erst jetzt fiel ihm auf, wie unangenehm es war, übersehen zu werden.
Ob auch sie allein wohne, erkundigte er sich. Allein. Das Wort dehnte sich in seinem Mund aus, beinah hätte er es nicht herausbekommen.
Sie wies auf den Hund. Lachte. Nippte am Pappbecher.
Ob sie sich eigentlich an den Abend im Hotel erinnere.
Ja, aber bitte, da war doch nichts, sagte sie und berührte sein Handgelenk. Es war die erste vertraute Geste von ihr, eine Geste gleichwohl, die ihm den Boden unter den Füßen wegzog. Für sie war er nichts. Den Abend im Hotel hatte sie mit einem Fremden verbracht. Er spürte, wie er stärker denn je eifersüchtig wurde auf diesen Anderen, mit dem sie beinah geschlafen hätte und der einmal Kurt Tiejen gewesen war. Er fragte sich, ob er die Deckung aufgeben und ihr sagen sollte, wer er war, was er ihr alles bieten konnte. Es schien ihm einen Moment lang möglich, zurückzukehren in sein altes Leben.
Nein, natürlich, das sei ja nichts gewesen, sagte er schnell und versuchte ebenfalls zu lachen. Es klang wie ein kratziger Husten.
Er sah sie bereits gehen, suchte nach Worten, mit denen er sie zurückhalten konnte. Es stand außer Frage, dass er diese Frau nicht zu einem Essen in die von ihm bevorzugten Restaurants einladen konnte. Nicht so, wie er jetzt war. Nicht eine Frau wie sie. In die Restaurants, die er kannte, konnte er weder mit ihr noch ohne sie gehen, er würde sofort abgeführt, heimgeschickt in die vierte Etage des Tietjen’schen Firmengebäudes. Und sie, sie würde zurückbleiben wie ein deplazierter Clown, ein Mädchen, das nicht wusste, wie man sich in einem Sterne-Restaurant verhielt. Was aber war angemessen? Eine Diner-Raststätte, in der man auf den sterilen Ledersitzen vollständig den Halt verlor? Eine Bar, in der sein Alter allzu deutlich herausstechen würde? Ein Café, aus dem
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