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Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Titel: Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Bossong
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fühlte sich schlapp, wie man sich an einem schwülen Sommerabend schlapp fühlt, an dem das erlösende Gewitter Stunde um Stunde ausbleibt.
    Hinter einer der Bürotüren hörte sie das Tackern einer Tastatur, blieb stehen, durch das Milchglas drang warmes Licht auf die Neonfront des Flurs. Sie war Hausherrin, ihr gehörten alle Büros hier, würden ihr zumindest eines Tages gehören, sie klopfte an und öffnete dabei bereits die Tür.
    Frau Tietjen, Sie machen Überstunden. Etwas Spöttisches lag in seinem Ton, Konstantin Krays, dabei wusste er, dass er sie zu hofieren hatte, sie stand zwar auf seiner Seite, doch schwankend, wie man eben für jemanden Partei ergreift, immer auf dem Sprung, sich wieder zu distanzieren.
    Du solltest schlafen gehen, Luise, fügte er hinzu. Er war nahe an sie herangetreten, atmete ihre Wangen an, kalt war sein Gesicht, erfrischend, es roch nicht mehr nach Säuglingshaut, sondern metallisch, vielleicht hatte der Computer auf ihn abgestrahlt. Sie blickte über seine Schulter, spürte seinen Arm, den er um ihre Hüfte legte, sie hätte gern gewusst, mit was er sich um diese Uhrzeit beschäftigte, doch die Deckel der Aktenmappen waren zugeklappt und über den Bildschirm flatterte lediglich der Schriftzug Tietjen und Söhne Frottee GmbH .
    Auf dem Tisch blinkte lautlos sein Handy, ein Anruf oder eine Nachricht ging ein. Luise wollte ihn fragen, was er hier machte, ob Werner davon wisse, ob Krays ihm vielleicht sogar zuarbeite. Krays’ kantiger Körper drängte sich an sie, er war nicht ungeschickt dabei, er war nur geschickter im Erstellen von Kalkulationen. Manche Menschen suchten die Nähe von Macht wie Ratten den Müll, und sie traute Krays zu, einer dieser Menschen zu sein, deswegen hatte er sich in ihre Nähe begeben, er die Ratte und sie der Müll. Das Telefon verdunkelte sich wieder, er strich ihr über die Schulter: Mach dir nicht so viele Gedanken, ich regle hier alles, ruh dich aus.
    Was weißt du schon, was zu regeln ist?
    Sei ehrlich, was weißt du davon? Sein Blick übernächtigt und klar, eine sanfte Kälte ging von ihm aus, die sie beruhigte und vergessen ließ, dass sein letzter Satz eine Beleidigung war.
    Was würdest du tun, wenn du morgen diesen Betrieb übernehmen müsstest?, fragte sie.
    Heute übernehme ich keinen Betrieb mehr, es ist schon nach zehn.
    Du würdest jederzeit einen Betrieb übernehmen, entgegnete Luise. Wenn du nur könntest.
    Luise, was soll das Ganze? Du bist fünfundzwanzig, du solltest um diese Uhrzeit nicht in der Firma rumgeistern. Du musst mal leben. Wie andere Menschen auch.
    Welche anderen? Von wem sprichst du. Von dir?
    Von normalen Menschen mit normalen Gewohnheiten, sagte Krays und wandte sich von ihr ab.
    Sein Hinterkopf, die frisch geschnittene Frisur, Luise streckte die Hand aus, um über seinen Nacken zu streichen, zögerte, ließ die Hand wieder sinken. Was bitte schön war denn normal? Krays suchte mit der Maus den Bildschirm ab, öffnete Dateifenster, die er bei ihrem Eintreten hatte verschwinden lassen. Hatte er vergessen, dass sie neben ihm stand? Normale Menschen mit normalen Gewohnheiten stellte sie sich vor, Menschen ohne Unternehmen, und dachte dabei nur: Das Unternehmen. Es ging seit Jahrzehnten in den Wellen der Stadtgeschichte auf und unter, der Ministerpräsident tauchte in ihrem Salon auf, es gab Entenconfit, es gab immer Entenconfit, wenn der Herr Ministerpräsident da war, und er war ja, glaubte man Werner, stets bei ihnen. Dass er in Wahrheit nur zweimal auftauchte, einmal unter dem Namen Kühn, der kurz darauf nach Pittsburgh flog, um zu sehen, wie die USA mit Opel und dem Dreck aus den Hochöfen fertig wurden, einmal und zwar dreißig Jahre später unter dem Namen Clement, das erwähnte Werner nie.
    An Krays’ Schreibtisch gelehnt, dachte Luise daran, dass auch Werner einmal hübsch gewesen war, ein aufstrebender junger Mann aus der Mittelschicht, der Anfang der siebziger Jahre bei wöchentlichen Tennispartien ihre Tante umworben hatte, und kaum war der Trauschein unterzeichnet, ließ er sich nur noch selten auf dem Tenniscourt blicken und begann, sich mit Reh und Rind zu mästen. Ihre Tante lief währenddessen wie ein weidwundes Tier in ihrem Zimmer herum, weil sie es nicht schaffte, schwanger zu werden, ließ Abendveranstaltungen ausfallen, Firmenfeiern, sogar das Treffen mit dem Ministerpräsidenten. Sie blieb an der Seite ihres Mannes, dessen Leib immer mächtiger wurde und beim Tod des Seniors bereits einhundert

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