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Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Titel: Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Bossong
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und ihre Mutter kurz vor der Abreise in der Lobby mit den gepackten Koffern warten ließ, weil er noch einen geschäftlichen Termin hatte. Wenn er endlich ins Hotel zurückkehrte, war er meist von einer feinen Whiskynote umgeben, und ihre Mutter war in ein besorgtes Gespräch mit dem Fahrer vertieft, der sie zum Flughafen bringen sollte. Kurt baute sich wie ein verzweifelter Wahlkämpfer vor ihnen auf und verkündete: Sie werden hier niemals unser Produkt verstehen.
    Ein Mann stand neben einem Zeitungsautomaten und las die Überschriften der Zeitungen. Er blickte zu Luise herüber, jemand, der selbst bei den Nachrichten überlegen musste, ob es sich lohnte, sie zu kaufen. Er hatte Luise betrachtet, minutenlang, ohne sich bemerkbar zu machen.
    Dass das ihr Vater war –
    Er trug ein einfaches, hellgraues T-Shirt, Jeans ohne Marke und Form, die er früher nicht einmal angerührt hätte. Die meisten Menschen schrumpften im Alter. Andere, das musste sie nun feststellen, verschwanden ganz. Kurt Tietjen war verschwunden, möglicherweise schon eine ganze Weile.
    Luise reichte ihm die Hand, höflich, um den Abstand zu wahren: so weit und nicht näher. Ein stoppeliges Kinn, schroffe Augenbrauen, die Falten hatten sich nicht vermehrt, aber sie hatten ihre Bezugspunkte verloren. Der Mann vor ihr war nicht in einem Haus mit Wasserfall aufgewachsen, hatte nie in einem Schreibtischstuhl aus Leder gesessen, nicht über Menschen bestimmt, der hier hatte höchstens Angst vor ihnen gehabt.
    Ob sie einen guten Flug gehabt habe. Ob ihr Zimmer in Ordnung sei. Es fiel ihm schwer zu reden. Möglicherweise sprach er hier kein Deutsch mehr. Möglicherweise sprach er mit überhaupt niemandem. Kein Wort von der Firma. Ihr Zimmer war in Ordnung, aller Wahrscheinlichkeit nach komfortabler als die neue Behausung ihres Vaters.
    Du wirst Hunger haben, du musst etwas essen, erklärte er, es war der alte Trick: Hatte man erst etwas im Mund, galt es als höflich, sich anzuschweigen. Sie entfernten sich in langsamen Schritten von Macy’s, gingen die 42nd Street Richtung Osten hinauf, stießen auf die Sixth Avenue.
    Wie er lebe, was er arbeite, ob er überhaupt mit etwas beschäftigt sei. Luise fragte nicht, sondern wollte, dass er es von sich aus erzählte, freiwillig. Er hatte sich verändert, doch erklärte er ihr nicht, wer er nun war, drückte ihr keine neue Visitenkarte in die Hand. Wie es um die Firma bestellt sei, was Werners Pläne seien, wo Luise in alldem stünde – warum fragte er nichts davon? Oder interessierte diesen Mann in seinen Discountkleidern die Firma nicht mehr? Hatte er all seine alten Gewohnheiten zusammen mit den Maßanzügen abgelegt?
    Ich denke selten über Essen nach, hörte sie Kurt sagen. Essen passt hier nicht hin.
    Und die Firma?, fragte Luise.
    Ach, die Firma, sagte Kurt nur.
    Wie hatte er so viele Schulden anhäufen können? Warum gab er die Firmenleitung nicht ab? Er sollte endlich seinen Mund aufmachen, ihr Vater, er aber lief stumm neben ihr her.
    Und warum lässt du dann nicht los?, fragte Luise.
    Ich, sagte Kurt abfällig. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken, zog seine Schultern zurück, leicht und gravitätisch, da ging er wieder neben ihr, Kurt Tietjen.
    Ich lasse nicht los? Frag deinen werten Onkel.
    Meinen Onkel? Du willst doch nur, dass ihm das Unternehmen zwischen den Fingern zerläuft.
    Fourth Avenue. Zierliche Frauen verließen die Geschäfte mit gewaltigen Einkaufstaschen, Menschen, die in ihrem Luxuskokon vegetierten.
    Das ist es doch, was du an New York liebst, sagte Luise. Dass sie hier alle gescheitert sind. Alle andern. Mein Großvater. Dein Großvater.
    Ich bin doch nicht wegen Justus oder meinem Vater hierhergekommen.
    Was willst du denn bitte schön sonst hier?, fragte Luise.
    Nutzlos sein, antwortete Kurt.
    Menschen liefen von Bürohaus zu Bürohaus, sogar die Touristen waren in Eile. Kurt blieb einfach stehen, als könne er sich über das Treiben erheben. Albern, dachte Luise. Das hier war nur ihr Vater, verzagt und müde, er stand dicht neben ihr, möglicherweise lag darin das Problem, manche Menschen wirkten besser, wenn sie abwesend waren. Aber Luise würde auch damit zurecht kommen. Irgendjemand musste es ja.
    Sie hakte ihren Vater unter, zog ihn mit sich, über die zerschlissenen Bürgersteige, der First Avenue entgegen, in der Luise früher, als sie noch unsichtbar für ihren Vater gewesen war, mit einer Cola ruhiggestellt worden war, während ihre Mutter versucht hatte, New

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