Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
York zu verstehen, wenigstens die Architektur, und ihr Vater auf einen Geschäftskollegen einredete. Luise erinnerte sich an die voluminös frisierten Gestalten, bei denen sie abends zum Dinner eingeladen waren, Ehefrauen aus Frankfurt oder München, deren Männer Ehejahr um Ehejahr tiefer in der Arbeit versanken. Reedereien, Logistikunternehmen, immer drohte in der Ferne die Pensionierung, immer war man gut gelaunt, ein Haus in Southampton, ein Ausflug nach Miami, alles war hier so viel einfacher als in Europa.
Unsere Familie ist doch nichts als ein Traum, sagte Kurt. Man kann von niemandem erwarten, sein ganzes Leben in einem Traum zu verbringen.
Andere bezahlen ihre Miete nicht mit Träumen, entgegnete Luise. Und wir zahlen auch noch die Miete unserer Angestellten damit.
Third Avenue. Sie näherten sich der Gegend, die Luise vertraut war, und sie hoffte, der Mann, der offenbar seinen Verstand verloren hatte, möge sich hier zurückverwandeln in Kurt Tietjen, den Frotteeverwalter.
Werner will deine Einwilligung, erklärte Luise. Nichts Großes, aber es ist dringend. Die Firma kommt nicht voran, wenn wir nicht bald einen neuen Standort für die Rohproduktion festlegen. Wir müssen mit den Fabriken ins Gespräch kommen, wir müssen Verträge schließen, wir können keine Handtücher produzieren, solange wir keine Stoffe haben. Wir brauchen deine Einwilligung.
Ihr?, fragte Kurt. Ihr braucht mein Einverständnis? Er wandte sich von ihr ab und winkte mitten in den stumpfen Verkehr hinein. Ein Taxi hielt, mit einem Spiderman auf dem Dach, new show starting, sie stiegen ein, der Wagen wurde beschleunigt, der Fahrer knallte sein Kaugummi rhythmisch gegen den Gaumen.
38th Street. Werner hat dich geschickt, sagte Kurt. Ich dachte, du wärest gekommen, weil ich dich angerufen habe.
30th Street. So stand es also: Er herrschte noch immer, ihr Vater, anstatt zu leben, er war noch immer der Fürst, auch wenn ihm das selbst nicht bewusst war.
26th Street. Der Blick des Fahrers im Rückspiegel, gutmütiges Misstrauen gegen diese aufgeregten Touristen.
24th Street. Natürlich, erwiderte Luise und sah ihren Vater von der Seite an, seine Gesichtszüge waren wieder hart geworden, jeden Moment würde er eine Entscheidung treffen, jeden Moment würde er einen Aktenkoffer unter dem Vordersitz hervorziehen und mit ihr zum Verwaltungssitz fahren.
16th Street. Natürlich?, fragte er.
Union Square. Starbucks, Filine’s Basement, Trader Joe’s.
Natürlich bin ich gekommen, weil du mich angerufen hast, antwortete Luise.
12th Street. Ich habe dein Ticket genommen, ich habe in dem Hotel eingecheckt, das du für mich ausgesucht hast, ich bin zu dem Treffpunkt gekommen, den du mir genannt hast. Wie kannst du fragen, für wen ich gekommen bin?
6th Street.
Natürlich, sagte ihr Vater. Werner spielt keine Rolle?
4th Street.
No, no, go back, 8th Street, I said, rief er nach vorn gebeugt. Between Braodway and Lafayette. Der Wagen bremste ab, schlitterte um eine Straßenecke.
4th Street.
Leise und scharf sagte Kurt: Du lässt dich von ihm als Botin ausnutzen. Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so billig verkaufen würdest.
Am liebsten wären sie wohl voreinander weggelaufen, aber nun war Luise nach New York gekommen, das ließ sich nicht leugnen, und was hätten sie anderes tun können, als essen zu gehen? Man ging immer essen, weil es so wenig Alternativen gab. Luise war übel, ein Völlegefühl, obgleich sie seit dem Flugzeugmenü nichts zu sich genommen hatte. Man hatte ihren Vater zunächst nicht in das Restaurant lassen wollen, Luise hatte den Ober überzeugen müssen, sie hatten schließlich einen Tisch bekommen, und Kurt begann, von der Firma zu erzählen. Luise glaubte ihrem Vater kein Wort. Er hasste die Firma, und wer hasste, wurde ungenau.
Sobald ein neuer Gang gebracht wurde, unterbrach ihr Vater seinen Redefluss, und sie versuchte, ihn zu der Unterschrift zu bewegen. Er aber war stur. Was blieb ihr anderes, als ihm zuzuhören? Wie er lästerte. Wie er wütend war. Werner habe keinen Stil, weder als Unternehmer noch als Privatperson. Die Firma sei verkommen, sie sei es seit jeher. Immer schon habe man sich angemaßt, zu wissen, was gut für die Angestellten, was gut für die Kunden, was gut für die Zukunft sei. Weshalb sie sich überhaupt für die Firma interessierte, fragte er. Luise zuckte die Schultern, alles, was er sagte, war ein Vorwurf, und was konnte man schon auf einen Vorwurf erwidern? Er stocherte in
Weitere Kostenlose Bücher