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Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Titel: Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Bossong
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Alkohol machte sie leicht benommen, der Boden verlor seine Festigkeit, und langsam glitt das Gefühl von ihr ab, zwischen den Wänden des Konferenzraums zerrieben zu werden.
    Eine Stunde später, als sie bereits auf dem Weg nach draußen war, holte Maxweld sie ein.
    Frau Tietjen.
    Sie drehte sich widerstrebend zu ihm um.
    Sie nehmen mir das von vorhin doch nicht übel, Frau Tietjen.
    Auch Maxweld wirkte ein wenig beschwipst, sie meinte sogar, ein Lallen zu vernehmen, während er ihr von Ausflugszielen im Bergischen Land erzählte. Luise nickte höflich. Plötzlich war sein Gesicht nah an ihrem, Luise schreckte zurück. Maxweld lächelte schelmisch und kratzte sich am Kinn.
    Sie… Sie haben gerade versucht, mich zu küssen, stotterte Luise.
    Ach, Sie sind ja hysterisch.
     
    Luise stand vor Krays’ Wohnungstür, ihre Haare hingen ihr feucht ins Gesicht. Es sah aus, als sei sie vom Regen durchnässt, erst als Krays ihr die Strähnen zur Seite strich, sah er, dass sie verweint war.
    Ich frage lieber nicht, wie es in Köln gewesen ist.
    Lieber nicht, antwortete Luise. Aber du kannst mir helfen.
    Krays fuhr mit ihr in die Firma, und sie studierten die ganze Nacht lang Unterlagen, die sie aus verschiedenen Aktenschränken zusammensuchten. Absatzzahlen, Umsatzprognosen, Entwürfe für neue Handtuchkollektionen. Auch in den Nächten darauf blieb er mit Luise in ihrem Büro, erklärte ihr, was er von den Betriebsabläufen wusste, recherchierte für sie, was selbst er bislang nicht geahnt hatte. Krays deckte Fehler in der kaufmännischen Abteilung auf, einige alte Verbindlichkeiten waren lange ignoriert worden, und im vergangenen Jahr hatte Werner die Anschaffung von neuen Firmenwagen genehmigt, für die eigentlich kein Spielraum mehr gewesen war. Unter Werners Federführung war gewirtschaftet worden, als sei das Unternehmen unverwüstlich. Auch in der Vertriebsabteilung hatte man nachlässig gearbeitet, Bestellungen waren nicht ausgeliefert worden, wodurch sie allein im letzten Jahr zwei Hotels und ein Fachgeschäft als Kunden verloren hatten. Luise und Krays öffneten Dateien, durchsuchten spätnachts Werners Büro, und je mehr sie erfuhren, desto schlimmer sah die Lage der Firma Tietjen und Söhne aus. Werner und Kurt hatten genommen, als wäre das, was man sich lieh, ebenso gut wie das, was man tatsächlich besaß. Werner hatte zudem Sympathien und bevorzugte, wie Krays meinte, die Falschen. Wen Werner lange kannte, dem vertraute er blind. Vor allem die drei Eisheiligen des Aufsichtsrats Bentsch, Serner und Rehlein ließ Werner an einer zu langen Leine laufen. Sie führen sich auf, als seien sie die Könige in diesem Haus, sagte Krays. An einem der folgenden Tage pfiff Luise sie zusammen, sie reihten sich vor ihr auf und machten Männchen. Dennoch war sich Luise sicher, dass, sobald sie den dreien den Rücken zukehrte, die Eisheiligen über sie lachten, aber sie ignorierte das Gefühl, ihnen unterlegen zu sein, und hielt ihnen einen halbstündigen Vortrag.
    Meist waren Krays und Luise die Letzten, die die Firma verließen, und die Ersten, die kamen. Eines Nachts wachte Luise auf, als Krays gerade eine Wolldecke über sie ausbreitete, sie war mit einem Stapel Papiere auf dem Schoß in ihrem Büro eingeschlafen, auf zwei zusammengeschobenen Sesseln aus der Sitzgruppe. Die Umgebung flackerte im abgedämpften Neonlicht, das durch die Milchglastür hereinfiel, der Raum wirkte unwirklich und noch größer, als er es seit je war. An der Wand ihr gegenüber sah sie die Mäuler der Aktenschränke, die sie offen gelassen hatte. Die Fotografien an den Wänden hatte Lusie so oft gesehen, dass sie sie selbst im Dunkeln noch erkannte. Heinemann blickte zur Seite. Schmidt überreichte ein Dokument. Kennedy schien sich im Schatten zu bewegen.
    Hier also bleiben wir, sagte Luise tonlos.
    Ich würde lieber nach Hause fahren.
    Ich meine nicht heute. Ich rede von den nächsten Jahren.
    Du kannst immer noch gehen, Luise, sagte Krays. Er stand hinter ihr und massierte ihren Nacken. Du hast alle Möglichkeiten, die man sich wünschen kann.
    Was weißt du schon. Luise starrte auf die Wand. Kennedys Gesicht war weniger freundlich als sonst, seine Zuversicht wirkte künstlich.
    Glaubst du, dass wir es schaffen?
    Im Augenblick kommen wir gut voran.
    Gut voran? Damit willst du sagen, dass eigentlich schon der Versuch wahnsinnig ist.
    Nein, Luise, ich meine –
    Noch eine Sache, Krays. Sie nahm ihre Füße vom Sessel herunter und setzte sich

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