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Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Titel: Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Bossong
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Business-class, Luise war umgeben von professionellen Passagieren. In der First class forderte jemand die Betreuung durch eine Stewardess, immer wieder hörte Luise das Signalgeräusch, bis sich endlich eine der Flugbegleiterinnen abgurtete, obwohl es ihr untersagt war. Ein weiteres Luftloch, die junge Frau stürzte zu Boden.
    Luises Sitznachbar legte das Times Literary Supplement beiseite. These people will never understand that the world is not a business they run but a place to be.
    Die Stewardess hatte sich aufgerappelt und schwankte vorsichtig nach vorn, verschwand aus Luises Sicht. In der First Class wurden die Gäste mit Namen angesprochen, das hätte Krays gefallen, dachte Luise, dann wäre auch sein Name einmal etwas wert. Aber bis zur First musste er sich noch anstrengen, mussten sie alle sich anstrengen, wer konnte sich schon für seine Angestellten die erste Klasse leisten. Die Manager von Schermerhorn flogen nicht einmal Business, Luise hatte Winfried Maxweld beim Einchecken in der von Touristen übervölkerten Schlange vor der Economy entdeckt, er hatte zur Seite geblickt. Dass es dem Unternehmen derart schlecht ging, hatte sie nicht gewusst, und sie hatte im Stillen triumphiert.
    Das Flugzeug hatte inzwischen den Landeanflug begonnen, bald tauchten die ersten Hausspitzen aus dem Dunst auf, die Gesichter in der Economyclass drückten sich an die Scheiben, als könne man in diesem Plastikausschnitt die Freiheitsstatue besser erkennen als im Internet.
    Was Luise ihrem Vater am meisten vorwarf, war nicht, dass er die Kontrolle über die finanzielle Lage der Firma verloren hatte, sie warf ihm weder vor, dass er Werner hasste, noch dass er kein guter Geschäftsmann war. Was sie ihm vorwarf, war, dass er sich am Ende seines Lebens lächerlich machte. Was hätte ihr Vater in New York alles aufbauen können? Er hätte eine Zeitung gründen oder ein Institut eröffnen können, er hätte fotografieren, malen, seine Memoiren schreiben können. Allein das, wofür er sich letztendlich entschied, hatte Luise ihm nicht zugetraut: Er tat nichts. Er arbeitete nicht, er ging nicht einmal ins Museum, nicht in die Oper, machte keine Ausflüge, sah keine Filme, ging nur spazieren, ohne Ziel.
    Luise blickte ein weiteres Mal der glänzenden regennassen Rollbahn entgegen, die Maschine setzte hart auf, dann wurde Luise von der Bremskraft leicht nach vorn gedrückt. Alle zwei Monate flog sie nun hierher, nicht allein, um ihren Vater zu treffen, sondern vor allem, um zu sehen, wie er gegen sie verlor.
     
    Newark International Airport. Kurt war nie auf den Gedanken gekommen, sie vom Flughafen abzuholen. Hätte es ihn glücklich gemacht, zu wissen, dass die Firma längst dort stand, wo er sie haben wollte? Vielleicht nicht. Vielleicht ist die Leere, die man spürt, wenn der Feind geschlagen ist, größer als die Erleichterung.
    Die Warteschlange vor der Homeland Security. Luises geübte Antworten auf die Fragen des Beamten: Holiday. Pleasure. Auf dem Gepäckband drehte ihr Schalenkoffer bereits verlassen seine Runden. Sie stemmte ihn herunter und lief Richtung Ausgang. Vor der Ankunftshalle, wo die Raucher hastig die ersten Züge nach zehn, zwölf Stunden Flug einsogen, stieg sie in ein Taxi, gab die Adresse durch, lehnte sich zurück und wartete darauf, dass die Stadt sich um sie zuzog.
    New York versetzte sie stets in Anspannung, und wenn sie die Menschen betrachtete, schien es ihr, als ginge es ihnen genauso. Nur ihr Vater widersetzte sich dieser Nervosität, wie er sich überhaupt allen Einflüssen widersetzte. Er hatte seit je ignoriert, dass er nicht allein auf der Welt war, dass seine Entscheidungen Konsequenzen für andere hatten. Ihr Vater führte sich wie ein trotziges Kind auf, dass das Spielzeug der anderen kaputt trat und nicht begriff, dass die anderen kein neues bekommen würden. Dass er sich selbst in den Ruin getrieben hatte, war seine Sache, aber er konnte nicht erwarten, dass seine Tochter ihm folgte.
     
    Die Wahrheit ist doch, hatte Werner zu Luise gesagt, dass dein Vater kaufmännisch eine Katastrophe ist. Da hat der Senior schon recht gehabt. Was willst du, Luise, Väter und Söhne kennen sich entweder zu gut oder überhaupt nicht.
    Das hatte er ihr gesagt, ehe sie nach New York gereist war. Diesmal hatte sie ihm gegenüber ihre Reise nur nebenbei erwähnt, Luise hielt Werner nicht mehr über alle ihre Tätigkeiten auf dem Laufenden, über seine hingegen war sie stets informiert. Es war von Vorteil, mehr

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