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Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)

Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)

Titel: Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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ein Ort?«, fragte ich. »Kanalisation oder so was?« Ich wickelte die Arme um den Oberkörper. Die Dunkelheit war greifbar; überall, wo das Licht nicht hinreichte, schien sie mit ihren eisigen Tentakeln über meine Haut zu fahren.
    »Die Tunnel«, korrigierte Jack. Er hielt seine Laterne in einen langen Korridor, der in tiefe Schwärze führte. Mein Fuß stieß gegen eine Metallschiene, und als ich herabblickte, sah ich zwei parallel verlaufende stählerne Linien.
    »Ich dachte, die U-B ahn wäre gesprengt worden«, sagte Chase.
    »Wurde sie«, stimmte Jack zu. »Aber dabei muss was zutage getreten sein, nur darum hat Mags diesen Ort gefunden. Das FBR ist gar nicht auf die Idee gekommen, nachzusehen, ob es noch etwas unterhalb der U-B ahn gibt.«
    Schwarze Kabel zogen sich über uns dahin. An jedem Riss in der Betondecke zerfaserten sie zu staubigen Drähten. Die Luft war abgestanden und kühl, fast, als wäre schon seit hundert Jahren kein frischer Wind durch diese Tunnel gefegt.
    »Wie alt ist das hier?«, fragte ich.
    »Älter als du und ich«, entgegnete Jack.
    Während er und der andere Gewehrschütze vorangingen, zählte Truck jedem, der in Hörweite war, die blutrünstigen Details von Chase’ Kämpfen auf. Getrieben von einer morbiden Neugier lauschte ich seinen Worten. Das war ein Thema, das Chase am liebsten totschwieg, und obwohl ich den Kerl zum Schweigen bringen wollte, konnte ich mich doch nicht dazu überwinden.
    Was ich hörte, klang brutal. Gebrochene Glieder. Blut, das aus Wunden troff, die von Fäusten und Zähnen stammten. Kämpfe, die nicht abgebrochen wurden, auch wenn es dringend nötig gewesen wäre. Mein Herz brach beim Gedanken an den kleinen Jungen in ihm, der Angst vor Spukhäusern empfunden hatte, der Bilder seiner Familie in einer Kiste unter den Bodenbrettern verwahrte. Und ich war die einzige Zeugin dieses Lebens. Die Leute hier kannten nur den Kämpfer.
    Chase ging direkt vor mir, den Rücken durchgedrückt, während sein Blick von einer Seite zur anderen huschte. Ich fragte mich, was wohl in seinem Kopf vorging. Er mochte keine Orte, die keine frei zugänglichen Fluchtwege zu bieten hatten.
    »Diese Geschichten stimmen nicht alle«, sagte er leise zu mir und schluckte dann.
    »Wie bei mir«, entgegnete ich. Seine Schultern sanken einen ganzen Zoll tiefer.
    Wir gingen scheinbar endlos weiter, bis wir zu einem erhabenen, offenen Bereich gelangten. Oben, auf der Plattform, konnten wir sehen, was aus den anderen Flugzeugen geworden war. Gepäckfächer waren zu Etagenbetten umgebaut und an die Wände geschraubt worden. Darunter, auf dem gefliesten Boden, standen Army-Pritschen, aufgereiht wie im Rotkreuzlager. Ein Dutzend oder mehr Leute schliefen auf den provisorischen Bettstätten, als wir vorüberkamen, darunter mindestens ein Mädchen.
    »Baracken«, verkündete der dritte Wachmann, der bisher nicht viel gesagt hatte. Auf einem verrosteten Schild an der Wand der Plattform war zu lesen: CHICAGO TUNNEL COMPANY . Daneben befand sich eine Tür und die Aufschrift: KESSELRAUM  – AUSGANG , die vor lauter Rost kaum noch entzifferbar war. Wir spazierten direkt unter der Stadt hindurch. Langsam bemerkte ich Anzeichen von Klaustrophobie. Was war über uns? Abgebrannte Häuser? Die Basis? Rebecca?
    Der Weg wurde breiter, als andere Schienen mit der Hauptlinie zusammenliefen. Kleine Hängelampen waren an den Kabeln unter der Decke befestigt, niedrig genug, dass Truck mühelos kurbeln konnte, um sie unterwegs aufzuladen. Chase dagegen musste sich einen Weg um die Lampen herum bahnen.
    Wir gingen weiter, vorbei an den Latrinen – Flugzeugwaschräume, direkt aus den Flugzeugen ausgebaut, die sich in unregelmäßigen Abständen an die Tunnelwand drängten. An der letzten, offenen Kabine lehnte eine Schaufel. Als ich hineinschaute, sah ich mein verzerrtes Bild in einem Aluminiumspiegel.
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie die Angehörigen des Widerstands die Flugzeuge zerlegt und die Metallbauteile einzeln hinunter in die Tunnel gebracht hatten. Die Aufgabe kam mir zu beängstigend vor. Immerhin ging es um Flugzeuge , Tausende Kilo Metall. Und doch, der Beweis war überall um uns herum.
    »Wann bekommen wir den Plan für die Resozialisierungsanstalt?«, hörte ich Sean fragen.
    »Wenn du aufhörst zu jammern wie ein kleines Mädchen«, beschied ihm Jack. Offensichtlich trug uns die Verbindung zu Drei nicht bei jedem Wohlwollen ein. Sean gesellte sich zu Chase und mir.
    Wir marschierten weiter.

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