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Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)

Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)

Titel: Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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Es kam mir vor wie eine Meile. Inzwischen gewöhnten sich sogar meine Augen an die Finsternis, und ich fing an, Einzelheiten klarer zu erkennen, selbst ohne Zuhilfenahme einer Taschenlampe oder der Laternen, die an der niedrigen Decke baumelten. Hier gab es Graffiti an den Wänden. Ein Heiles Land, Eine Heile Familie, aber auch andere Bilder und Schriftzüge. Die Flagge und das Kreuz – die Insignien der MM  – durchgestrichen. Kraftausdrücke. Die Namen von Verstorbenen einschließlich ihrer Todestage.
    Und drei Nummernrauten. Jemand von Drei war hier gewesen. Ich konnte nur hoffen, dass jetzt niemand von ihnen hier war, der mich zur Rede stellen könnte.
    Wir erreichten eine weitere Station, die unser Reiseführer als Krankenstation bezeichnete. Mehrere U-B ahn-Wagen standen antriebslos auf den Gleisen und waren vollgestopft mit Handtüchern, Verbandsmull und medizinischen Materialien. Im letzten Abteil hingen Laternen, und ein Junge, etwa so alt wie ich, saß auf einem Holzhocker und presste schützend seinen blutenden Arm an den Körper. Er heulte auf, als ein Sanitäter ihn mit Peroxid abspülte. Der Sanitäter lachte. Ich krümmte mich und lief hastig an einem Stapel weißer Eimer vorbei, um Chase nicht zu verlieren.
    Die nächste Haltestelle auf unserem Weg – der Empfangsbahnhof, dem verblassten Schriftzug an der Wand zufolge – war größer und voller Leute. Mindestens fünfzig. Sie saßen auf Flugzeugsitzen mit blauen Wollbezügen und benutzten Tabletts, die vor ihnen aufgestapelt bereitstanden, um Teller mit Essen zu balancieren. Ich roch die Wärme und das Salz, das den kalten, feuchten Moder und den Schmutz aus den Tunneln überlagerte.
    Ihre Blicke wurden starr, ihre Gespräche zu einem Flüstern. Truck erzählte jedem, der fragend in meine Richtung schaute, ich wäre die Heckenschützin. Ich ermahnte mich, mich distanziert zu geben, aber die Lüge hatte sich längst meiner Kontrolle entzogen, und ich hasste mich dafür, sie je erzählt zu haben.
    »Wie viele Leute leben hier?«, hörte ich mich fragen.
    »Ungefähr hundert, ein paar mehr oder weniger«, sagte Truck.
    Ich räusperte mich, um mich des Kratzens in meinem Hals zu erwehren. In Knoxville waren wir nur dreißig gewesen, und niemand von uns konnte sagen, wie viele davon übrig waren.
    »Wenn ihr in diese Richtung weitergeht, kommt ihr zur Kehrschleife«, informierte uns Truck. »Da findet die Besprechung statt. Achtet darauf, früh loszugehen. Es ist ziemlich weit.«
    Wir kletterten aus dem Gleisbereich heraus und sahen eine voll ausgestattete Küche vor uns. Ein Tresen wie in einer Cafeteria, erbaut aus verschweißten Metallteilen aus Flugzeugrümpfen, verlief über die ganze Länge der hinteren Wand. Dahinter summten ein Generator und drei nicht zusammenpassende Kühlschränke gleichmäßig vor sich hin. Fünf Arbeiter, darunter ein dickes Mädchen mit kurzem Haar, bereiteten eimerweise Kartoffelpüree aus Pulver von Horizons zu und brieten Burger – aus echtem Fleisch – auf einem Grill über einem flammenden Metallmülleimer. Der Rauch wanderte mit einem nicht spürbaren Luftzug den Tunnel hinab.
    Ich dachte daran, wie viel Getreideflocken und Dosenmais wir im Wayland Inn gegessen hatten. Lebensmittel, die wir der MM gestohlen hatten. Diese Leute hatten jemanden in ihren Reihen, der bei Horizons arbeitete, so viel stand fest.
    Truck war so nett, uns etwas zu essen und feuchte Tücher zu besorgen, damit wir uns säubern konnten, ehe er uns wieder aus der Kantine hinausführte. Trotz meiner inneren Unruhe sah ich bereits doppelt, wieder einmal. Ich hatte das Gefühl, ich müsse nur die Augen schließen und wäre binnen Sekunden eingeschlafen.
    Je weiter wir uns von den Schienen entfernten, desto mehr Schutt lag herum, desto stärker wurde der Geruch nach Rost und desto dichter der Betonstaub. Truck erzählte uns, dass das Bombardement während des Krieges die Stadt über uns zerstört hätte, dass aber die tiefer gelegenen Tunnel und einige der alten Fahrstuhlschächte immer noch passierbar waren. Als ich auf einen großen Riss in der Decke zeigte, hob er nur kurz die Laterne und zuckte mit den Schultern, als wäre das nichts Besonderes.
    Er führte uns um einen vollgestopften Bereich herum, auf dem einige kleinere Waggons standen, die mit etwas gefüllt waren, das aussah wie Kohle, und zu einem Raum, an dessen Tür das Wort TECHNIK prangte. Darin warteten zwei junge Männer, einer davon mit stacheligem blauem Haar, der andere

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