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Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)

Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)

Titel: Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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der Erleichterung spülte über mich hinweg.
    »Gehen wir«, sagte ich, nun wieder ganz bei der Sache.
    Ihr Kopf schoss hoch, und ihre hübschen blauen Augen weiteten sich vor Schreck. Die senffarbenen Reste eines Blutergusses, die sich über ihren Unterkiefer zogen, kamen in mein Blickfeld und lösten schmerzhafte Schuldgefühle in mir aus.
    »Ember?« Sie hielt immer noch die Blumen auf dem Schoß.
    »Wir holen dich hier raus«, flüsterte ich.
    »Was? Du … warte … nein.«
    Ich muss überrascht ausgesehen haben, denn Überraschung war das, was ich empfand. »Was meinst du mit nein ? Wir müssen uns beeilen. Sean ist …«
    »Nicht Sean«, erklärte sie entschlossen, aber ich nahm einen schrillen Ton in ihrer Stimme wahr. »Du musst gehen, Ember.«
    »Was?« Sie war wütend auf mich, das war die einzige Erklärung für ihr Verhalten. Sie hatte auch Grund dazu, trotzdem, ich war hier, und ich würde sie hier rausholen. Das musste sie doch begreifen.
    Dann ging mir auf, dass sie wahrscheinlich Angst hatte, aber das kam mir auch verrückt vor. Mit bloßen Händen war sie auf Brock und die Wachen losgegangen, wegen dem, was die mit Sean gemacht hatten, und nun war sie zu ängstlich, um das Krankenhaus zu verlassen?
    »Du bringst mich nirgendwohin. Du gehst. Sofort .« Ihre Stimme klang noch schriller. Wenn sie so weitermachte, würden die Schwestern sie hören.
    Mein Verstand war außerstande zu begreifen. »Du willst nicht hier weg?«
    »Nein. Ich will bleiben«, verkündete sie eisern.
    »Wir können das nicht jetzt diskutieren. Dafür ist keine Zeit.« Ich sah mich über die Schulter um. Niemand da. Noch nicht. Ich riss ihr den Blumentopf vom Schoß.
    »Nein! Du verstehst das nicht!« Ihre Stimme brach. »Er darf mich so nicht sehen!« Rote Flecken tanzten auf ihren sonst so perfekten Wangen und bildeten einen scharfen Kontrast zu ihrem gelben Overall.
    »Wie? Mit dem kurzen Haar? Rebecca, darauf wird er gar nicht achten!«
    »Darum geht es nicht!«
    Sean platzte in dem Moment zur Tür herein, in dem ich versuchte, Rebecca auf die Beine zu ziehen.
    Nur kam sie nicht auf die Beine. Sie fiel flach auf den Bauch.
    »Was zum …« Ich ging in die Knie, um sie aufzusammeln.
    »Ich habe es dir doch gesagt!« Nun weinte sie.
    Die Zeit schien langsamer zu laufen, und plötzlich war mir alles klar.
    Niemand musste sich irgendwelche Sorgen machen, Rebecca könnte davonlaufen, weil sie gar nicht laufen konnte. Das erklärte den Mangel an militärischer Präsenz. Darum wurde diese Einrichtung von Schwestern geleitet.
    Ich schloss die Augen und sah, wie es geschah, genauso, wie es sich damals in der Reformschule zugetragen hatte. Rebecca, die in ihrer grauen Uniform auf Ms Brock, die Schulleiterin, losging. Die Wachen, die sie aufhalten wollten. Dann ein Krachen. Ein Schlagstock traf auf Rebeccas Rücken. Ihr schriller Schmerzensschrei. Danach waren wir getrennt worden. Ich hatte nie erfahren, wie schlimm Rebecca verletzt worden war.
    »Sean«, blaffte ich, »ich brauche deine Hilfe!« Ich versuchte, Rebecca hochzuziehen, aber sie konnte ihr eigenes Gewicht nicht tragen. Unterhalb ihrer Knie bewegte sich rein gar nichts. Ihre dünnen Beine lagen kraftlos auf der Seite. Gelähmt . Das Wort hallte durch meinen Kopf, aber es war nicht richtig. Es durfte nicht richtig sein. Sie konnte gehen, sie versuchte es nur nicht.
    Rebecca stöhnte leise, ein furchtbarer, trostloser Laut, und da wusste ich, sie konnte sich bemühen, wie sie wollte; sie würde nie wieder gehen.
    In diesem Moment ging der Feueralarm los.
    »Becca?«, fragte Sean verwirrt und kniete sich neben sie.
    » H-h ol einen Rollstuhl. Wo ist er, Rebecca?« Mein Kopf und meine Extremitäten waren blutleer, und mir war furchtbar kalt. Die Sirene bohrte sich in meine Trommelfelle, und eine helle Lampe über der Tür fing an zu blinken. Eine andere Art von Furcht ergriff Besitz von mir. Ich hatte für das ganze Leben genug von brennenden Gebäuden.
    »Sie braucht keinen Rollstuhl«, erwiderte Sean. »Steh auf, Becca.«
    Sie stand nicht auf, sondern schluchzte leise in ihre Hände. Er streckte die Hand nach ihrem Arm aus, berührte sie aber nicht. Als könnte er nicht. Als stünde zwischen ihnen eine unsichtbare Mauer.
    Ich sah mich in dem Raum um und entdeckte ein Paar Krücken und Beinschienen, die auf der anderen Seite an einem Schrank lehnten. Wer immer sie hergebracht hatte, hatte sie weit außerhalb ihrer Reichweite abgestellt. Zorn wogte so plötzlich in mir auf, dass

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