Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)
Billys Unterarme und zerrte ihn hinein.
»Du bist dran«, sagte Chase und sah mir kurz in die Augen, ehe er mich auf die Bank hob. Dann starrte er zu Tucker hinüber und fluchte lautlos.
Ich blickte hinunter und keuchte auf, als der dichte, weiße Rauch, der sich um meine Füße sammelte, an mir zu zerren schien und mir das Gleichgewicht raubte. Die Sitzfläche ächzte, als ich mein Gewicht verlagerte, um nicht herunterzufallen.
»Sieh Tucker an«, wies mich Chase an. Ich tat es und glitt, an einer Hand von Chase gehalten, über die Bank hinab, bis Tucker meine andere Hand ergriffen hatte.
Tucker zog mich in das Bürogebäude. Meine Knie zitterten, und die ganz natürliche Dunkelheit überforderte meine Augen. Billy kniete über Sean, der kraftlos an einer Wand lehnte. Der Raum war leer, abgesehen von den Glasscherben auf dem Boden, die schwarz schimmerten und den Rauch vor dem Fenster reflektierten.
Als Chase hinter mir hereinkam, drehte ich mich ruckartig um.
Wir waren leuchtend rot angelaufen und mit Ruß beschmiert – ein furchtbar verdächtiger Anblick für all die, die unten auf der Straße warteten.
»Wir müssen uns säubern«, sagte ich. Wir drehten unsere Kleidung um. Ich wischte mir das Gesicht mit den Unterarmen ab, doch damit schien ich den Ruß nur weiter zu verschmieren.
»Das reicht, raus jetzt«, kommandierte Chase. Sean war inzwischen ein bisschen sicherer auf den Beinen.
Da er das Gebäude erst vor wenigen Tagen durchsucht hatte, kannte Chase den Weg. Wir folgten ihm durch ein finsteres Treppenhaus und die Stufen hinunter. Meine Muskeln verkrampften sich bei jedem Schritt, und meine Kehle brannte vor Durst. Ich sehnte mich danach, das Feuer aus meinen Augen zu waschen, aber dafür blieb keine Zeit.
Voller Sorge, er könnte versuchen, abzuhauen, behielt ich Billy im Auge, krallte die wunden Hände in seinen verkohlten Ärmel, doch er schüttelte mich ab und drängelte sich ganz nach vorn.
Endlich erreichten wir den Ausgang.
Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich hinaus in die schmale Einbahnstraße ging, die, da sich all die Aufregung nebenan konzentrierte, vollends verlassen war. Über die Schulter sah ich den Aufruhr der Zivilisten, die immer noch fluchend mit bloßen Fäusten die Soldaten attackierten. Es war ihnen gelungen, die Frontlinie zu durchbrechen, da so viele Soldaten sich inzwischen darauf konzentrierten, durch den Rauch auf das Dach zu zielen. In all dem Durcheinander war nicht zu erkennen, ob unsere Leute jemanden erwischt hatten.
Wieder dachte ich an Riggins’ letzte Worte, als er mich zur Flucht gedrängt hatte. Der Sniper. Ich hätte es früher erkennen müssen. Nun, da ich einen Moment Zeit zum Atmen bekommen hatte, fügten sich die Puzzleteile zu einem Bild zusammen, und mit ihm kam das Grauen. Er hatte sich in meiner Gegenwart anders verhalten als früher und sich vielleicht sogar für mich geopfert, weil er – wie die Frau in der Zeltstadt – glaubte, ich wäre jemand, der ich nicht war.
Ich sah mich nach Chase um, und stattdessen fiel mein Blick auf Tucker. Meine Gedanken schlugen eine andere Richtung ein, wurden härter. Ich erinnerte mich, warum ich ihn hasste, warum ich ihm nie vertrauen konnte. Aber irgendwie hatte sich auch zwischen uns etwas verändert. Er hatte auf Sean gewartet. Er hatte mich die brennenden Stufen hinaufgeschubst und mir vielleicht das Leben gerettet.
Schreie raubten mir die Konzentration. Das Dach des Wayland Inn brach ein. Das Feuer hatte Besitz von ihm ergriffen, und die Flammen loderten wütend am rauchgeschwärzten Himmel.
»Wallace!«, brüllte Billy.
Chase zerrte ihn auf die andere Straßenseite, von wo aus er unser verlorenes Hauptquartier nicht mehr sehen konnte. Als wir außer Sichtweite des Wayland Inn waren, rannten wir.
»Zum Rotkreuzlager«, hörte ich Sean zu Chase sagen, als wir in einer Gasse verschnauften.
»Gibt es nicht noch mehr von euch?«, fragte Tucker um Atem ringend. »Einen anderen Stützpunkt oder so was?«
»Die Werkstatt«, sagte ich. East End Auto. Mir gefiel nicht, dass gerade Tucker diese Frage gestellt hatte, und mir gefiel auch der Gedanke nicht, gerade ihn zu dem Ort zu bringen, an dem der Schleuser die Flüchtlinge in Empfang nahm, aber wir hatten keine Wahl. »Cara wartet dort auf uns.«
Ich hoffte, dass sie immer noch wartete, denn ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Auf jeden Fall mehr als eine Stunde.
Wir hasteten durch Nebenstraßen und hielten uns fern vom
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