Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)
meinen Knien. Das war nicht richtig: Beth, hier, in diesem verdammten Haus und unter dem Namen meiner Mutter. Sie konnte keinen Checkpoint leiten, sie war nur … Beth. Nur Beth, meine beste Freundin. Sie wusste nichts über diese Welt. Ihre Welt war die Highschool. Sie wusste, wer mit wem ging und welche Aufgaben sie im Englischunterricht erwarteten. Sie wusste, welche Hosengröße ich hatte und dass ich Tomaten nicht ausstehen konnte. Das war alles nicht richtig.
Aber ich dachte nicht länger darüber nach, denn im nächsten Moment schlang sie ihre Arme um meinen Hals und umarmte mich, und ich umarmte sie, und sie plapperte und heulte, wie ich es nur einmal erlebt hatte, als sie dreizehn Jahre alt und ihre Katze Mars gestorben war.
Sie roch wie Beth, und sie fühlte sich an wie Beth, nur Haut und Knochen und lange, dürre Glieder. Sie trug einen Rollkragenpullover, Jeans und süße, flache Slipper, und ich konnte nur daran denken, wie ungeeignet sie zum Rennen waren.
» Du meine Güte , ich dachte, du wärst tot! Was machst du hier? Was hast du da an? Bist du jetzt eine Schwester? Und dein Haar … Gehst du wieder zur Schule? Halt, Moment, das ist albern, ich weiß nicht, worüber ich rede, ich bin nur so froh, dass du noch lebst!«
Das alles sagte sie so hastig, dass ich kein Wort dazwischenbekam. Und es war auch besser so. Hätte ich den Mund aufgeklappt, dann wäre meine ganze Enttäuschung herausgeströmt, und das durfte ich mir nicht gestatten, denn dies war Beth, meine beste Freundin, und ich sollte mich genauso freuen wie sie.
Eine Sekunde später wich sie zurück, und ich erhaschte einen Blick auf einen kleinen Mann Ende zwanzig mit Ziegenbart und Nickelbrille. Ehe ich mich erkundigen konnte, wer er war oder was Beth hier tat, ließ sie mich los und stürzte sich auf Chase, die Klauen ausgefahren wie eine Wildkatze.
»Beth!« Ich packte sie an der Taille und zerrte sie von ihm weg. Derweil stolperte er rückwärts in die Küche, die Arme kapitulierend erhoben, und krachte gegen den Herd. Blitzschnell wandte er sich um und machte dem Lärm ein Ende.
»Was willst du hier?«, knurrte sie ihn an. Beth war von jeher reizbar, schon als wir noch Kinder gewesen waren.
»Wir haben gehört, meine Mutter wäre hier«, erklärte ich, ließ aber nicht von ihrer schmalen Taille ab.
»Du hast Nerven, hier wieder aufzutauchen, nach dem, was du ihnen angetan hast.«
»Er ist in Ordnung«, klärte ich sie auf. »Er hat mir geholfen, aus der Resozialisierungsanstalt zu fliehen. Er ist kein Soldat.«
»Er sieht aber ganz so aus.«
»Er ist keiner.«
»Kann er nicht für sich selbst sprechen?«
»Beth, bitte .«
»Ich bin kein Soldat«, sagte Chase mit leiser Stimme. Beth hatte ebenfalls eine Taschenlampe, die sie anklagend auf sein Gesicht richtete.
»Wo hast du dann die Uniform her, hm? Und warum warst du bei den Soldaten, die meine beste Freundin mitgenommen haben?« Ich konnte förmlich Rauch von ihrem Kopf aufsteigen sehen.
»Nicht so laut!«, bat der Bursche hinter Beth.
»Beth, hör auf!«, forderte ich, plötzlich endlos erschöpft. Wo waren die Küchenstühle? Ich musste mich setzen. Und da wir gerade dabei sind, wo war der Tisch?
»Sie hat ewig auf dich gewartet, weißt du das?«, grollte Beth weiter. Ein Jahr aufgestauter Beste-Freundin-Aggressionen brach aus ihr hervor. »Als du gegangen bist, hat sie das beinahe umgebracht . So traurig habe ich sie in meinem ganzen Leben nie erlebt.«
Schuldgefühle spülten über mich hinweg, direkt gefolgt von Verlegenheit. Ich wollte nicht, dass sie Chase mit diesen Dingen ein schlechtes Gewissen einredete. Er fühlte sich schon schlecht genug.
»Ich meine, ernsthaft, was ist das für ein Freund, der nicht einmal einen Brief schreibt, um zu sagen, dass es ihm gut geht?«
»Kein sehr guter«, entgegnete Chase.
»Und dann kommst du zurück und nimmst sie fest ?«
Ich wich an die Wand zurück.
»Beth, bitte.«
»Das kann er ruhig wissen«, gab sie hochmütig zurück.
»Wo sind die Stühle?«
Sie leuchtete mir mit der Taschenlampe ins Gesicht. »Oh Gott, du siehst aus, als müsstest du gleich kotzen. Du kotzt doch nicht, oder? Stephen, hol einen Mülleimer!«
»Es gibt keine«, bekundete der Typ hinter ihr.
»Ach, Mist. Die MM hat all euer Zeug mitgenommen, Ember. Sie hat das Haus ausgeräumt. Ein paar Sachen habe ich noch gerettet, aber die Möbel und der Rest, das ist alles weg.«
Ich glitt an der Wand herab zu Boden. Binnen einer Sekunde war Chase
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