Gesetz des Todes
herein mit Ihnen.« Es war noch früh, das Lokal nur spärlich besetzt. Er half ihr aus dem Mantel. »Darf ich mich zu Ihnen setzen? Ich könnte auch eine Kleinigkeit zu essen vertragen.«
Sie war ganz offensichtlich von ihm angetan. »Warum nicht? Krabben auf Salat und Tee.«
»Warten Sie, da habe ich eine bessere Idee.« Er ging an die Bar, bestellte bei der Kellnerin und kam mit zwei Gläsern Champagner zurück. »Hier, bitte sehr.«
»Das ist aber wirklich nett von Ihnen.« Sie strahlte ihn an.
»Sie haben eine kleine Stärkung verdient. Schließlich arbeiten Sie in der Pathologie. Und das können sicherlich nicht viele Menschen aushalten.«
»Ach, ich weiß nicht.« Sie trank ihren Champagner und aß ihre Brötchen.
Levin bestellte ihr ein zweites Glas und machte sich an die Arbeit. »Ich kann mir vorstellen, dass Sie bei Ihrer Arbeit einiges wegstecken müssen. Ich meine, denken Sie nur daran, was vorhin passiert ist.«
Inzwischen war sie ein wenig beschwipst, und ihre Wangen glühten. »Nun, ich muss zugeben, das war sehr ungewöhnlich.«
»Waren Sie dabei?«
»Wissen Sie, ich habe diese Leute ins Büro des Professors gebracht und stand in der Tür, als er ihnen seine Befunde mitteilte.«
»Einen Moment bitte.« Levin stand auf, ging an die Bar und stellte noch einmal zwei Gläser Champagner auf den Tisch. »Was sagten Sie gerade? Das muss ja schrecklich gewesen sein.«
»Eigentlich darf ich ja nicht darüber sprechen«, aber sie beugte sich näher zu ihm hin.
Die ganze Geschichte kam ihr locker über die Lippen, dann sah sie auf die Uhr und seufzte: »O Gott, ich bin schon spät dran.« Sie sprang auf, und Levin half ihr wieder in den Mantel.
»Ich begleite Sie zurück.« Es regnete immer noch. »Wie schade, dass Sie heute Abend Dienst haben. Ich hätte Sie gerne zum Essen ausgeführt.«
»Damit wäre mein Freund sicherlich nicht einverstanden.«
Levin musste an sich halten, um nicht laut zu lachen. Er begleitete sie zurück zum Eingang der Pathologie.
»Passen Sie auf sich auf«, sagte er zum Abschied.
Auf dem Weg zum Ausgang blieb er noch einmal stehen und sah sich um. Dabei fiel sein Blick auf einen schwarzen Leichenwagen, und etwas ließ ihn innehalten. Rabbi Julian Bernstein trat durch die Tür. Ihm folgten schwarz gekleidete Sargträger.
Levin beobachtete, wie sie den Sarg in den Wagen schoben und die Hecktüren geschlossen wurden. Als Rabbi Bernstein hinter dem Fahrer in den Leichenwagen stieg und die Sargträger in eine andere Limousine, trat Levin zurück. Name und Telefonnummer des Bestattungsinstituts prangten in Goldlettern an den Türen des Leichenwagens. Die prägte Levin sich ein und ging auf direktem Weg zur Botschaft. In seinem Büro setzte er sich umgehend mit Ashimov in Verbindung.
»Hier tut sich was.«
»Erzählen Sie.«
Levin berichtete. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Ihre IRA-Stümper sich ungeschickt angestellt haben. Ein Mann wie Dillon wird nicht lange brauchen, um zu merken, in welche Richtung sich das alles entwickelt. Sie sehen besser zu, dass Fitzgerald sich in Ibiza mucksmäuschenstill verhält. Soll ich hinfliegen und mich um ihn kümmern?«
»Seien Sie nicht albern, Igor. Ich brauche diese Leute. Bleiben Sie, wo Sie sind, finden Sie etwas über die Beerdigung heraus, und behalten Sie Ferguson und Konsorten im Auge.«
»Dann wollen Sie also nicht, dass ich Dillon für Sie aus dem Weg räume?«
»Im Moment nicht. Befolgen Sie einfach meine Befehle, Igor.«
Levin lehnte sich zurück, dachte über das Gespräch nach und rief dann bei dem Bestattungsinstitut an. »Ich möchte der verstorbenen Hannah Bernstein meine Reverenz erweisen und Blumen schicken. Ich weiß nur nicht, ob ihr Leichnam bei Ihnen aufgebahrt ist oder zu Hause.«
»Nein, sie liegt hier.«
»Und die Beisetzung?«
»Die findet morgen früh um zehn Uhr auf dem Friedhof Golders Green statt.«
»Ich bedanke mich für die Auskunft.«
Er überlegte eine Weile und beschloss dann, eine Spazierfahrt zu unternehmen, die ihn nach Wapping und Cable Wharf und zum Dark Man führte. Der Abend war angebrochen, der Fluss beleuchtet. Er fand einen Parkplatz in der Nähe des Lokals, sein Wagen war einer von vielen, und das bedeutete, dass in dem Pub einiges los war. Er ging bis zum Ende des Kais und zündete sich eine Zigarette an. Er hatte schon immer ein Faible für Flüsse, mochte ihren typischen Geruch, die Boote, doch jetzt fühlte er sich irgendwie leer. Es war Bernstein. Er musste immer wieder
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